DGB 06 - Gefallene Engel
erfahren, und es war von beiden Seiten mit Erstaunen
und Freude aufgenommen worden, dass die hierarchischen Struk-turen der Orden
denen der Astartes-Legion sehr ähnelten.
Es waren sonderbare und
interessante Zeiten.
In den Kampfsälen von Aldurukh
war tagtäglich Gefechtslärm zu hören, da Anwärter und Ritter gleichermaßen
kräfteraubende Trainingsrituale absolvierten, die von den Astartes überwacht
wurden. Giganten in schwarzen Rüstungen marschierten jeden Tag in den Sälen auf
und ab, um eng mit den Meistern des Ordens zusammenzuarbeiten. Ihr Ziel war es,
das kämpferische Geschick eines jeden Mitglieds der ritterlichen Bruderschaft zu
steigern und den Charakter weiter zu stärken.
Zahariel hatte bereits drei
Kämpfe hinter sich gebracht, er war nassgeschwitzt, und seine Muskeln brannten
vor Anstrengung. Er und Nemiel hatten alles über sich ergehen lassen, was die
Astartes von ihnen verlangten, und waren dabei bis an die Grenzen ihrer Kraft
und Ausdauer getrieben worden.
»Und ich dachte immer, das
Training im Orden sei anstrengend«, keuchte Nemiel.
Zahariel nickte und ließ vor
Erschöpfung den Kopf hängen.
»Wenn man das leisten muss, um
Astartes zu sein, dann weiß ich nicht, ob ich das Zeug dazu habe.«
»Tatsächlich?«, fragte sein
Cousin, richtete sich auf und streckte sich, als wollte er gerade erst
anfangen. »Ich glaube, ein paar Runden sind noch drin. Kommst du mit?«
»Von mir aus«, sagte Zahariel
und stand auf.
Obwohl viele Ordenskrieger die
Säle füllten, war Zahariel nicht entgangen, dass nur die Anwärter und die jüngeren
Ritter an den Übungen der Astartes teilnahmen. Er und Nemiel gehörten schon zu
den ältesten Anwesenden, und er fragte sich, welche Bedeutung das für die
Übungen hatte.
Mit jedem Tag schrumpfte die
Zahl der teilnehmenden Jungs weiter, da nur die Stärksten und Entschlossensten
zur nächsten Stufe zugelassen wurden. Welchem Zweck diese Auslese diente, wurde
nicht verraten, aber viele glaubten, dass ihnen ein Platz in den Reihen der
Astartes winkte.
Zahariel streckte die
Beinmuskeln, um die Stumpfheit des morgendlichen Trainings abzuschütteln. »Bist
du bereit?«, fragte er und rechnete insgeheim damit, dass Nemiel zugab, nur
geblufft zu haben.
Sein Cousin wollte ihm den
Gefallen aber nicht tun, sondern nickte und wischte sich die schweißnassen Haare
aus der Stirn.
»Von mir aus«, erwiderte er und
lief in gemächlichem Tempo los.
»Zehn Runden.«
Zahariel folgte ihm und hatte
ihn schnell eingeholt, dann lief er in dem Tempo weiter, das sein Cousin
vorgab. Seine Beine waren müde, und er hatte seinen Körper bis an die Grenzen
seiner Leistungsfähigkeit getrieben, doch der Wettstreit mit Nemiel reichte so
weit zurück, wie er sich erinnern konnte. Nicht einmal völlige Erschöpfung
würde ihn davon abbringen können, gegen ihn anzutreten.
Die erste Runde um den
Kampfsaal absolvierten sie noch recht mühelos, aber gegen Ende der vierten
Runde wurden die beiden Jungs schon deutlich langsamer und schnappten nach
Luft. In der Halle selbst hatten unter der Aufsicht der Astartes neue
Übungskämpfe begonnen. Zahariel bemerkte, dass ihr Wettlauf das Interesse eines
Giganten geweckt hatte, dessen Rüstung mit mehr Verzierungen versehen war als
die seiner Brüder.
»Schon müde?«, keuchte
Zahariel.
»Keineswegs«, brachte Nemiel
zwischen zwei japsenden Atemzügen heraus, als sie die fünfte Runde begannen.
Zahariel kämpfte mit sich, um
gleichmäßig zu atmen und konzentriert dasselbe Tempo beizubehalten. Die Furcht
vor einer Niederlage verdrängte er aus seinem Kopf, denn sie war unbedeutend.
Er würde Nemiel nicht unterliegen, und er würde nicht als Erster die Schmerzen
siegen lassen.
Das Verbatim sagte,
Schmerz sei eine Illusion der Sinne, Verzweiflung eine Illusion des Verstands.
Beides waren Hindernisse, die überwunden werden konnten, und als er auf seine
verborgensten Kraftreserven zurückgriff, fühlte er sich mit einem Mal
federleicht. Es war, als würden seine Gliedmaßen mit Energie aus einer Quelle gespeist,
von deren Existenz er bislang nichts gewusst hatte. In der siebten Runde gelang
es ihm, einen Vor-sprung auf Nemiel herauszuholen, der die Pattsituation
beendete.
Er hörte, wie sein Cousin
hinter ihm nach Luft rang, was ihn selbst noch beflügelte.
Der Vorsprung wuchs, und
Zahariel wurde von seinem Triumph-gefühl vorangetragen, das ihn durch die achte
und neunte Runde brachte. Neue Kraft strömte in seine Arme und Beine, und
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