DGB 11 - Blut Der Abtrünnigen
Eisenwolf im Orbit diese Reaktion ausgelöst?
Solange er nichts Näheres wusste, würde Bulveye seine Beobachtungen für sich
behalten. Er wusste, seine Männer verschafften sich soeben ihr eigenes Bild von
der Stadt und ihren Bewohnern. Später, wenn sich eine passende Gelegenheit
ergab, würde er seine Leutnants zu sich holen und herausfinden, ob ihr Urteil
seinem entsprach. Zum ersten Mal kamen ihm Zweifel, ob diese Reise tatsächlich
ein so kluger Zug gewesen war. Jurgen hatte Recht, er war zu ungeduldig gewesen
und hatte sich auf den Weg zu einer unbekannten Welt gemacht, nur weil er
hoffte, dort mit offenen Armen empfangen zu werden und einem jahrelangen
brutalen Krieg ein triumphales Ende zu setzen. Er hatte zu sehr darauf gebrannt,
sich die Grausamkeiten des Lammas-Feldzugs von der Seele zu waschen.
Es dauerte mehr als eine
Stunde, bis die Fahrzeugkolonne das Stadtzentrum erreichte. Der Kontrast der
flachen Gebäude in den Außenbezirken zu den Türmen der Innenstadt hätte nicht
extremer ausfallen können. Auch wenn sie aus den gleichen weißen Steinen erbaut
waren, unterschied sich ihr Stil doch grundlegend, hatten bei ihnen eindeutig
ästhetische und funktionale Aspekte im Mittelpunkt gestanden, nicht aber
Sicherheitserwägungen. Bulveye war sich so gut wie sicher, dass die Türme
zurückdatierten bis zu den frühesten Tagen der Kolonie.
Das Senatsgebäude präsentierte
sich als höchst sonderbare, spiralförmige Konstruktion mit einer breiten,
konischen Basis und ausladenden Terrassen, die durch spiralförmige Rampen mit-einander
verbunden waren. An der Außenseite der Fassade setzte sie sich bis ganz nach
oben fort. Es waren nur wenige Leute zu sehen, und wer sich hier aufhielt,
schien mit offiziellen Aufgaben betraut zu sein. Bulveye fiel auf, dass einige
der Bürokraten Hololith-Tafeln und tragbare Kom-Einheiten bei sich führten, die
kleiner und höherentwickelt waren als alles, was im Imperium verfügbar war. Er
wusste, die Eisenpriester an Bord der Eisenwolf würden sich brennend
dafür interessieren. Wie es aussah, hatten auf Antimon zumindest einige der
technologischen Fähigkeiten überdauert, die noch aus einer Ära vor dem
Zeitalter des Haders stammten. Wie Andras und seine Begleiter reagierten auch
die Bürokraten erschrocken auf den Anblick der Astartes. Ein älterer Mann
musste nur einen Blick auf Halvdan werfen, dann wurde er kreidebleich, machte
kehrt und eilte zurück in das Gebäude, aus dem er soeben gekommen war. Der
bärtige Leutnant schien davon nichts zu bemerken, doch der Wolfslord wusste es
besser.
Die wiederholten verstohlenen
Blicke, die sich die Angehörigen der Wolfsgarde zuwarfen, machten deutlich,
dass jedem von ihnen die eigenartige herrschende Atmosphäre aufgefallen war.
Andras führte den Wolfslord und
seine Männer ins Senats-gebäude, sie passierten den ausladenden Eingang und
gelangten in ein großzügig geschnittenes, mit grünem Marmor verkleidetes Foyer.
Nischen säumten den kreisförmigen Raum, in ihnen standen handgearbeitete Statuen
von bemerkenswerter Qualität, die zugleich das erste Beispiel für Kunst und
Kultur darstellten, dem er seit der Landung auf diesem Planeten begegnet war.
Es handelte sich um antike Stücke, womöglich entstanden während des Zeitalters
des Haders oder vielleicht noch früher, wie Bulveye mit einem Mal klarwurde.
Die Figuren trugen archaisch anmutende Gewänder, die denen von Andras und den
Übrigen ähnelten, und schienen Antimoner aus allen möglichen Bereichen des
täglichen Lebens abzubilden: Künstler, Gelehrte, Wissenschaftler, Staats-männer
und Unterhalter. Zwei Statuen nahe dem Eingangsbereich waren besonders
bemerkenswert, zeigte einer von ihnen doch einen Raumfahrer in einem Overall,
während der andere dem Wolfslord ins Auge fiel, weil er in ein langärmeliges
Kettenhemd gekleidet war und ein langes, schlankes Schwert in einer Hand hielt.
Zwei elegante, fast zerbrechlich aussehende Pistolen steckten im breiten Gürtel
dieses Kriegers, dessen Gesicht hinter einem Schleier aus feinsten
Kettengliedern verborgen war.
Jurgen ging ein paar Schritte
auf die Statue des Schwertkämpfers zu und betrachtete sie interessiert. »Wie es
scheint, waren euch Antimonern früher einmal ein paar Dinge über die Kunst der
Kriegführung bekannt«, sagte er dahin. »Wie erfreulich, dass ihr solch
barbarische Bestrebungen hinter euch gelassen habt.«
Etwas an Jurgens Tonfall ließ
seine beiläufige Bemerkung wie einen Vorwurf klingen.
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