DGB 13 - Nemesis

überhaupt nicht die Möglichkeit in Erwägung gezogen hatte,
dass sein Fluchtweg vielleicht gar nicht mehr existierte. Wenn die Flotte des
Kriegsmeisters Dagonet erreicht hatte, befand sich der Kutter Yelene wahrscheinlich entweder in deren Gewalt, oder aber er war in einen Trümmerhaufen
zerschossen worden.
    »Ich muss Terra erreichen ...«
Er sprach die Worte laut aus, das Verlangen kochte in ihm, doch dann bemerkte
er einen fernen Makel auf seiner Wahrnehmung, eine gewaltige, finstere Präsenz,
die sich völlig unerwartet regte. Speer hob den Kopf und sah hinauf in den
tosenden Sturm.
    Ja . Dort oben befand sich der
Meister, er sah auf Dagonet herab, er suchte nach ihm. Der Mörder konnte den
düsteren, eindringlichen Blick von Erebus in den Wolkenmustern erkennen.
    Der Meister wartete auf ihn.
    Er beobachtete ihn und wartete
ab, was er als Nächstes tun würde — wie es ein geduldiger Lehrer mit einem
vielversprechenden Schüler machen würde.
    Speer ging die Stufen wieder
nach unten und begab sich vor den Bug des Shuttles. Mit einem Mal ergab alles
einen Sinn. Nachdem er das Blut in sich aufgenommen hatte, musste er nur noch
zu seinem Ziel gelangen und die Zielperson töten. Erebus war hergekommen, um
ihm dabei zu helfen. Der Meister würde ihm das benötigte Schiff geben, es würde
seine letzte Amtshandlung als sein Mentor sein.
    Der Mörder packte einen der
Toten auf der Startbahn und zog ihn hinter sich her bis unter die Tragfläche,
wo sie vor den dicken schwarzen Regentropfen geschützt waren. Speer erinnerte
sich an die Kommunikationsrituale, die Erebus ihm ins Gedächtnis eingebrannt
hatte. Es würde nur einen Moment dauern, alles Notwendige vorzubereiten. Er
tauchte die Finger in eine tiefe Wunde am Oberkörper des Mannes, sammelte eine
Handvoll aus bereits gerinnendem Blut und begann dann, in aller Eile mit den
Fingern die erforderlichen Schriftzeichen auf dem Ferroment der Rollbahn
aufzumalen. Er zeichnete Kreise und Kreuze und schuf Stück für Stück einen
Stern mit acht Zacken. Sobald er damit fertig war, würde Erebus ihn so deutlich
wahrnehmen können wie Flammen in einer mondlosen Nacht. Der Meister würde es
sehen und verstehen. Die Wind drehte für einen Moment und trug den Geruch des
Leichnams und den vom Promethium mit sich, der in die Sinnesgruben in Speers
Maul gelangte. Aber er konnte nicht nur etwas riechen, sondern auch etwas
hören: das Summen von Turbinen.
    Er riss den Kopf hoch und
entdeckte einen grün-weißen Schemen, der aus dem Nebel auftauchte. Etwas
blitzte in der offenen Ladeluke auf, und reflexartig machte Speer einen Satz
zur Seite.
    Eine Kugel streifte die
Oberfläche der Dämonenhaut in seinem Gesicht und hinterließ einen klaffenden
Spalt, aus dem schwarze Flüssigkeit schoss. Das befleckte Blut spritzte über
das erst halb fertiggestellte Symbol auf dem Boden, das dadurch unbrauchbar
gemacht wurde.
    Speer stolperte zur Seite. Wäre
er nur einen Sekundenbruchteil langsamer gewesen, hätte ihn das Projektil
zwischen den unergründlich tiefen schwarzen Löchern seiner Augenhöhlen
getroffen.
    Er spannte die Armmuskeln an
und knickte die Handgelenke nach hinten, sodass das Dämonenfleisch neue
Körperöffnungen entstehen lassen konnte. Lange Spitzen aus scharfen Knochen
kamen daraus zum Vorschein und jagten in einer Wolke aus rosafarbener Entladung
in die Luft.
     
    »Vorsicht!«, rief Tariel und
tippte hastig auf die Kontrolle, um den Flieger so zu drehen, dass dessen Bauch
der Zielperson zugewandt war.
    Kell geriet aus dem
Gleichgewicht, während er sein Gewehr fest umklammert hielt, aber Koyne
entpuppte sich als überraschend stark dafür, dass ihr Körper derzeit ein so
schmächtiges Erscheinungsbild aufwies. Sie bekam ihn zu fassen und hielt ihn
fest. Ein Stück neben ihm rang Soalm um ihr Leben, das enden würde, sollte sie
den Halt verlieren. Die kalte Luft, die durch die offene Luke in die Kabine
geweht wurde, ließ sie zittern.
    Knochenklingen prasselten gegen
den Rumpf des Fliegers und bohrten sich durch die Metallhülle. Kell zuckte
zusammen, als er mehrere Treffer in der Brustgegend abbekam, die sich in seine
Panzerung fraßen. Koyne schrie auf, und als das Flugzeug in die Horizontale
zurückkehrte, fiel die Callidus rücklings hin. Ein dunkelroter Fleck zeichnete
sich auf dem Stoff über ihrem Oberschenkel ab und weitete sich rasch aus.
    Mit einer Hand wischte Kell
über seine Brust, um die Splitter zu entfernen. Als die auf dem Deckboden
landeten, veränderten