Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DGB 13 - Nemesis

DGB 13 - Nemesis

Titel: DGB 13 - Nemesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Swallow
Vom Netzwerk:
mit
dem Papier, das durch viele Hände gegangen war, verfolgte es zurück zu den Orten,
an denen es mal zusammengfaltet und mal aufgeschlagen worden war. Sie fragte
sich, welche Bedeutung das Blatt für Sigg besaß, dass er so sorgsam damit
umgegangen war. Sie konnte sogar den Hauch jenes Schmerzes wahrnehmen, den er
verspüren würde, sollte es ihm jemals abhandenkommen.
    Auf diese Weise würde sie ihn
aufspüren können: durch die Trauer über den Verlust, die ihm anhing wie ein
Wimpel, der im Wind flatterte. Der kritzelnde Stylus bewegte sich aus eigenem
Antrieb auf der Datentafel hin und her.
    Ihr Selbstbewusstsein erwachte
zum Leben. Sie würde Erno Sigg finden. Ja, das würde sie , und Hyssos
würde sehr zufrieden mit ihr sein ...
    Vor freudiger Erwartung machte
ihr Herz einen Satz, und sie musste unwillkürlich nach Luft schnappen. Der
Stylus, der dem auf ihn ausgeübten Druck nicht mehr standhielt, brach in der
Mitte durch, die beiden Enden der Bruchstelle bohrten sich in ihre Handfläche.
Mit einem Mal begann Perrig zu zittern, und sie kannte auch den Grund dafür.
Tief verborgen in ihrem Hinterkopf hatte sich ein Gedanke festgesetzt, dem sie
sich nicht stellen wollte — etwas, das sie mit großer Sorgfalt machte.
    Aber nun fühlte sie sich zu
diesem Gedanken hingezogen, sie berührte die verfärbten Ränder dieser
psionischen Prellung und zuckte zusammen, da winzige schmerzende Stiche davon
auso-esandt wurden.
    Sie hatte es bereits nach der
Ankunft auf Iesta Veracrux bemerkt.
    Zunächst hatte sie geglaubt, es
handelte sich nur um ein Artefakt des Übergangs in ihrem Geist vom
kontrollierten Frieden ihres Domizils an Bord der Iubar zum lärmenden
Neuen, das die geschäftige Stadt des Planeten mit sich brachte.
    Nein, falsch. Sie hatte glauben
wollen , dass es so war.
    Als sie sich zu konzentrieren
wagte, wurde das Zittern stärker.
    Ein dunkler Schatten an den
Rändern ihrer Wahrnehmung, fast zum Greifen nah. Näher als Erno Sigg. Viel,
viel näher. Noch näher als Hyssos oder einer der iestanischen Ermittler ahnte.
    Perrig nahm eine plötzliche
Feuchtigkeit an ihren Nasenlöchern und auf ihrer Wange wahr. Sie roch Kupfer.
    Verdutzt schlug sie die Augen
auf und sah als Erstes das Flugblatt. Es war rot, dunkelrot, karmesinrot, so
rot, dass sich die aufgedruckten Worte in der Farbe des Papiers verloren. Sie
atmete keuchend und sah von der Stelle hoch, an der sie kniete, und dabei
stellte sie fest, dass das ganze Zimmer rot war, und auch alles, was sich darin
befand, war rot, rot, rot. Sie ließ den zerbrochenen Stylus fallen und wischte
über ihr Gesicht. Eine dickliche Flüssigkeit lief aus ihren Augenwinkeln. Keine
Tränen, sondern Blut.
    Von plötzlicher Angst erfasst
sprang sie auf, dabei geriet sie mit dem Stiefel auf die Datentafel und zertrat
die Glasoberfläche. Die Luft im Zimmer war feucht und stickig, alle Oberflächen
waren nass und so glatt wie Fleisch. Perrig machte einen Satz hin zum einzigen
Fenster und griff nach der Schnur, um die Vorhänge aufzuziehen, damit sie das
Fenster öffnen und frische Luft einatmen konnte.
    Die Vorhänge waren aus Rot und
Schatten, und sie teilten sich wie Blütenblätter, als sie näher kam. Etwas von
annähernd menschlicher Form zeigte sich dort, es hing an dünnen Beinen von der
Decke herab. Der schwere Samtstoff landete mit einem dumpfen Knall auf dem
Boden, die Gestalt entfaltete sich und glänzte ölig. Ihr Name drückte sich in
die weiche Oberfläche von Perrigs Verstand ein, und sie war gezwungen, diesen
Namen laut auszusprechen, nur um sich von dessen Schrecken zu befreien.
    » Speer ...«
    Ein verzerrtes Maul voller
Zähne und Knochenhaken wuchs aus dem Kopf der Monstrosität heraus. Stygische
Flammen, erkennbar nur für jemanden, auf dem der Fluch der Hexensicht lastete,
hüllten das abstrakte Gesicht ein, dessen Augen nur endlose schwarze Höhlen
waren. In diesem Moment wusste Perrig, wer für die Morde verantwortlich war,
wer seine Klinge in die Körper von Jaared Norte, Cirsun Latigue und all den
anderen Opfern getrieben hatte.
    Sie wich zurück, ihre Stimme
versagte ihr den Dienst.
    Mehr denn jemals zuvor wollte
sie sich die Augen zuhalten und sich wegdrehen, ihr Gesicht irgendwo
verstecken, wo sie nicht gezwungen war, das Speer-Ding sehen zu müssen.
    Doch es gab kein Entkommen für
sie. Selbst wenn sie sich die Augen herausgerissen hätte, wäre ihre Hexensicht
damit nicht ausgelöscht worden, und die Aura dieser entsetzlichen Kreatur würde
weiter

Weitere Kostenlose Bücher