DGB 14 - Ketzerfürst
fester umklammert.
»Brüder«, drang eine Stimme aus
dem Kom. »Hier spricht Captain Torisian, 29. Kompanie, Raven Guard.« An der
Spitze der marschierenden Astartes hob ein Captain die Hand zum Gruß. Er trug
einen Mantel, an seinem Oberschenkel war ein leergeschossener Bolter magnetisch
befestigt, in der linken Hand blitzte ein Gladius auf.
Der Mantel des Captains,
ursprünglich von erhabenem Blau, bestand nur noch aus verdreckten Fetzen.
Argel Tal hob als Erwiderung
ebenfalls eine Hand und antwortete über Kom: »Hier ist Argel Tal, Lord der Gal Vorbak,
Legion der Word Bearers. Wie geht der Kampf voran, Bruder?« Der Anführer der
Raven Guard lachte, als er näher kam.
»Die verlogenen Hunde haben
bereits fluchtartig das Schlachtfeld verlassen, aber jeder von ihnen kämpft wie
ein Bastard. In Terras Namen, es ist ein wahrer Segen, Sie zu sehen. Unser Primarch
hat uns zurückbeordert, damit wir unsere Vorräte wiederauffüllen — aber Lord Corax
ist ein selbstloser Mann. Er würde uns an diesem Tag der Tage nicht um unseren
Ruhm bringen wollen.« Argel Tal konnte aus der Stimme des Kriegers ein Lächeln
heraushören.
»Ich wünsche Ihnen allen da
unten eine erfolgreiche Jagd. Ruhm dem Imperator.« Der Kommandant der Gal
Vorbak entgegnete darauf nichts. Die näher kommenden Raven Guard hatten
mittlerweile fast die Barrikaden erreicht. Er fühlte, wie seine Muskeln vor
krankem Verlangen zuckten.
»Bruder?«, fragte Torisian. Die
Rüstung des Captains war ein älteres Modell vom Typ III der Iron-Klasse, klobig
und schwer, fast schon primitiv im Vergleich zu den Modellen der
Maximus-Klasse, die von der XVII. Legion getragen wurde. »Wie sehen Ihre Pläne
für den Angriff aus?« Argel Tal atmete tief und machte sich bereit, eine
verdammenden Befehl zu erteilen.
Aus einem unerfindlichen Grund
musste er in diesem Augenblick an Lorgars Worte denken, die der vor so langer
Zeit zu ihm gesagt hatte. »Sie sind Argel Tal. Sie wurden auf Colchis
geboren. Im Dorf Singh-Rukh, als Sohn eines Schreiners und einer Näherin. Ihr
Name bedeutet im Dialekt der südlichen Steppenstämme ›der letzte Engel‹.« Für
einen Sekundenbruchteil kam die Erinnerung an seine Eltern an die Oberfläche,
die schon seit zweihundert Jahren tot waren. Er hatte nie ihr Grab besucht ...
Er war sich nicht mal sicher, wo er nach ihrem Grab suchen sollte.
Sein Vater war ein ruhiger Mann
mit sanften Augen, dessen Schultern von einer lebenslangen Hingabe zu seiner
Arbeit gebeugt gewesen waren. Seine Mutter war von zierlicher Statur gewesen,
mit dunkeln Augen und zu Locken gedrehten schwarzen Haaren, wie es von den
südlichen Stämmen bevorzugt wurde. Sie hatte immer ein Lächeln auf den Lippen
getragen, und so war sie ihm auch in Erinnerung geblieben.
Wie weit hatte er sich doch von
jener Hütte aus Lehm und Stroh am Flussufer entfernt, räumlich und zeitlich gleichermaßen.
Fast konnte er das Flusswasser an seinen Händen spüren, das selbst dann
angenehm kühlte, wenn es die erdrückende colchisianische Sonne reflektierte.
Er hatte vier ältere
Schwestern, alle genauso weit entfernt und genauso tot wie seine Eltern. Sie
hatten geweint, als die Legion kam, um ihn zu holen, auch wenn er ihre Reaktion
damals nicht verstanden hatte. Er sah nur das Abenteuer, dazu die Freude, von
den heiligen Kriegern ausgewählt worden zu sein. Die jüngste Schwester Lakisha
war nur ein Jahr älter gewesen als er. Von ihr hatte er eine selbstgemachte
Halskette mit Wüstenhundzähnen erhalten, die er jetzt an seinem Handgelenk
spürte. Jeden Morgen legte er sie an, um damit seine Meditationen abzuschließen.
Die ursprüngliche Schnur war schon vor langer Zeit verrottet, aber er hatte die
Schakalzähne auf eine neue aufgezogen und dieses Ritual alle paar Jahre wiederholt.
Seine älteste Schwester Dumara
hatte jeden Tag nichts Besseres zu tun gehabt als ihm zu erzählen, er sei ein
Taugenichts — nur an diesem Tag hatte sie nicht unfreundlich zu ihm gesprochen,
sondern ihm eine Decke aus Ziegenwolle gebracht, die er mitnehmen sollte.
»Die wird er nicht nötig
haben«, sagte
der riesige graue Krieger mit Maschinenstimme zu ihr.
Dumara schreckte zurück und
drückte sie an sich, aber anstatt sie dennoch dem Jungen zu überreichen, gab
sie ihm einen Kuss auf die Wange. Auch sie weinte. Er erinnerte sich daran, wie
sein Gesicht von ihren Tränen nass geworden war, und wie er gehofft hatte, der
Krieger würde nicht glauben, dass er weinte. Er musste einen
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