DGB 14 - Ketzerfürst
unmöglich.
Er schätzte Magnus als einen
der Wenigen, mit denen er sich unterhalten konnte, aber er hielt sich nie für
seinem Bruder ebenbürtig. Mit Magnus' psionischen Gaben konnte es niemand
aufnehmen. Oft redeten sie über die Dinge, die Magnus in seinen spirituellen
Reisen durch die Unendlichkeit erlebt hatte. Die Vergangenheit. Die Zukunft.
Das Herz und den Verstand des Menschen.
»Cairus«, sprach Magnus mit
sanfterer Stimme. »Alixandron. Vor allem Babalun, immerhin besaß diese Stadt die
hängenden Gärten, denen deine Stadt so ähnlich ist, wenn die silbernen Blumen
blühen.« Lorgar wurde bei diesem Bild warm ums Herz. Die Schönheit der
Vergangenheit, wiedererweckt durch menschliche Inspiration.
»Wie ich schon sagte«, betonte
er. »Es ist nicht meine Stadt. Ich hatte meine Finger im Spiel, aber ich bin
nicht allein für das verantwortlich, was wir hier sehen.«
»Immer diese Bescheidenheit.«
Magnus' Tonfall wies einen Hauch von Missfallen auf. »Du lebst dein Leben für andere,
Lorgar. Es gibt eine Grenze, hinter der Selbstlosigkeit ungesund wird. Wenn
dein ganzes Wirken darin bestand, andere aus ihrer Ignoranz zu holen, wann hast
du dann Zeit, selbst mehr zu lernen? Wenn du nur nach dem Sinn aller Existenz
suchst, wo bleibt dann die Freude in deinem eigenen Leben? Verlier die Zukunft
nicht aus den Augen, aber genieß auch die Gegenwart.« Er nickte, als er die
Worte seines Bruders hörte, und betrachtete den Sonnenuntergang. Obwohl die
Sonne umso dunkler wurde, je mehr sie hinter dem Horizont versank, war sie noch
immer so grell, dass Sterbliche bei ihrem Anblick Augenschmerzen bekamen.
Lorgar musste sich um solche Dinge allerdings keine Gedanken machen.
»Und noch eine Parade«, sagte
er, als in einer etwas entfernten Straße eine Gruppe ausgelassen feierte.
»Du klingst melancholisch«,
stellte Magnus fest. »Deine Leute freuen sich darüber, dass du heimgekehrt bist,
Bruder. Erfüllt dich das nicht mit Freude?«
»Um ehrlich zu sein, das tut
es. Aber diese Parade findet nicht zu meinen Ehren statt, sondern für die
Flüchtlinge von Monarchia. Ich habe darum gebeten, dass diese sieben nach
Sonnenuntergang zu mir gebracht werden. Nach der Anzahl der Feiernden dort
unten würde ich vermuten, diese Parade gilt der Gesegneten Dame.«
Magnus stützte die massigen
Hände auf dem Balkongeländer ab, als könnte er das Treiben auf der Straße
genauer erkennen, wenn er sich ein wenig vorbeugte.
»Warum wird einer von den
Flüchtlingen mehr gefeiert als die anderen?«
»So ist das nun mal.« Mit einer
Kopfbewegung deutete Lorgar auf die Parade. »Sie ist die einzige Frau, und man sagt,
dass sie von ausgesuchter Schönheit sein soll. Dazu kommt die Tatsache, dass
sie als Einzige die Zerstörung Monarchias mit angesehen hat. Das
Orbitalbombardement hat sie blind werden lassen. Solche Opfer sprechen die
Massen an.« Magnus' erhabene Gesichtszüge verhärteten sich. »Aus deiner Stimme
höre ich Kor Phaerons Berechnungen heraus, Bruder. Ich habe dich schon einmal
davor gewarnt, zu sehr auf ihn zu hören. In ihm brennt Verbitterung.«
»Er ist besorgt, er könne
unwürdig sein, das ist alles«, gab Lorgar mit einem knappen Kopfschütteln
zurück.
»Aber du irrst dich. Die
Flüchtlinge haben mit Kor Phaeron nichts zu tun. Allerdings muss ich gestehen,
dass der Bund regelrecht danach giert, aus der Beliebtheit dieser Flüchtlinge
Kapital zu schlagen. Ich habe sie heute Abend lediglich herbestellt, um sie
kennenzulernen, weiter nichts.« Das schien Magnus zu beschwichtigen. Schweigen
machte sich breit. So wie bei allen Brüdern, mit denen man sich gut verstand,
war auch dies ein einvernehmliches, angenehmes Schweigen, dass genauso
tiefgründig und ehrlich war wie jedes Wort, das sie wechselten.
Nur eine Sache hatte noch immer
einen unangenehmen Beigeschmack.
»Wie ist es dazu gekommen?«,
fragte Magnus nach einer Weile.
»Ich weiß von den religiösen
Kriegen auf Colchis. Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als ich mit Vater hier
eintraf und ihm von dir eine Welt angeboten wurde, auf der sich alles um
Anbetung drehte. Wie konnte nur so etwas dabei herauskommen?«
Lorgar sah seinem Bruder nicht
in die Augen, sondern betrachtete weiter die Stadt. »Diese Welt stand in
Flammen durch einen Kreuzzug, den ich vor fast zweihundert Jahren führte. Ich
träumte von der Ankunft Gottes. Ich litt unter Halluzinationen, Visionen,
Albträumen und Trancen. Nacht für Nacht. Manchmal wachte ich am Morgen auf
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