DGB 14 - Ketzerfürst
Keramit. Er antwortete nicht.
»Ich ... Ich werde einen
Apothecarius rufen.«
»Muss mich verstecken.
Verriegel die Tür.« Sie wiederholte seine Worte als Befehl, damit war der Zutritt
zu ihrem Quartier bis auf Weiteres jedem verwehrt.
»Was ist los?« Sie machte
keinen Hehl aus ihrer Sorge um ihn, und auch nicht aus ihrer wachsenden Panik.
»Ist das, wovon Xaphen sprach?
Die ... Die vorbestimmte Veränderung?« Dann hatte der Ordenspriester ihr also
bereits alles erzählt. Er wusste, es war dumm, auf diese Erkenntnis überrascht
zu reagieren — Xaphen hatte der Gesegneten Dame stets alles berichtet, weil er
in ihr ein weiteres Instrument sah, den neuen Glauben innerhalb der Legion und
sogar innerhalb der Dienerschaft zu verbreiten. Argel Tal blinzelte, um den
stechenden Schweiß aus seinen Augen zu zwingen, dann erst antwortete er.
Die Zielerfassungsautomatik
rahmte das Gesicht der über ihn gebeugten Cyrene ein, was er mit
aufeinandergepressten Zähnen rückgängig machte. »Ja, die Veränderung. Die
vorbestimmte Stunde.«
»Was wird geschehen?« Die Angst
in ihrer Stimme war wie Nektar für seine Ohren. Durch eine Wahrnehmung, deren
Funktionsweise Argel Tal nicht verstand, fühlte er sich stärker, wenn er hörte,
wie ihr der Atem stockte ..., wie ihr Herz etwas schneller schlug ..., wie die
Angst ihre Stimme wärmer klingen ließ.
Tränen tropften auf den
Gesichtsschutz, und selbst das weckte neue Kräfte in seinen Muskeln.
Wir nähren uns an ihrer Trauer, ging ihm
plötzlich durch den Kopf.
»Liegst du im Sterben?«, fragte
sie mit tränenerstickter Stimme.
»Ja.« Seine Antwort war sogar
für ihn selbst ein Schock, da er damit nicht gerechnet hatte, und dennoch
wusste er, dass es in dem Moment zutraf, als er es aussprach. »Ich glaube
schon.«
»Was soll ich tun? Sag es mir
bitte?« Er spürte, wie ihre Fingerspitzen über den Gesichtsschutz seines Helms
strichen, eine kühle Berührung, die ein wenig den Schmerz linderte. Es war, als
würde sie ihren kalten Finger unmittelbar auf seine fiebrige Haut legen.
»Cyrene«, knurrte er mit einer
Stimme, die kaum noch seine eigene war. »Dies ist der Plan des Primarchen.«
»Ich weiß. Du wirst nicht
sterben. Das wird Lorgar nicht zulassen.«
»Lorgar ... tut ..., was getan
... werden muss.«
Er spürte, wie seine Stimme
schwächer wurde, während er vom Bewusstsein hinabglitt wie in einen tiefen Schlaf,
der ihm von Narkotika aufgezwungen wurde. Mit schallenden Echos spalteten sich
seine Gedanken in eine nicht zu kontrollierende Dualität.
Er konnte sie sehen, ihre Augen
waren geschlossen, Tränen liefen ihr weiter über die Wangen, ihre
kastanienbraunen Locken rahmten ihr Gesicht ein. Aber er sah noch mehr: den
Pulsschlag an ihrer Schläfe, wo die Ader unter ihrer dünnen, allzu menschlichen
Haut pochte; den feuchten, durchdringenden Schlag ihres Herzens, das flüssiges
Leben durch ihren zerbrechlichen Körper pumpte. Der Duft ihrer Seele, die ihr
ganzes Leben hindurch Stück für Stück ein wenig mehr entglitt, ausgeatmet von
ihrem Körper, bis dieser Körper nicht mehr atmete. Sie roch lebendig, und sie
roch verwundbar.
Irgendwie spornte das seine
Begierde an, so wie die Lust zu kämpfen oder wie Hunger nah am Rand zum
Hungertod, aber noch intensiver als beides zusammen — intensiv genug, um ihm Schmerzen
zu bereiten. Ihr Blut würde auf seiner Zunge kribbeln und durch seinen
Verdauungstrakt fließen. Ihre Augen wären süßliche Bälle aus köstlicher Paste,
die ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Er würde ihr die Zähne
herausbrechen und sie in seinem Mund spüren, ehe er ihr die Zunge herausriss,
über ihre blutenden Lippen zog und sie dann in einem Stück herunterschluckte.
Dann würde sie schreien, röchelnd und ohne Zunge, bis sie vor seinen Augen
verblutet war.
Sie war Beute. Ein Mensch. Eine
Sterbliche. Die mit jeder Minute ein wenig mehr starb, und ihr Geist war dazu
bestimmt, in der See der Seelen zu schwimmen, bis sie von einem der
Niegeborenen verschlungen wurde.
Sie war auch Cyrene. Die Gesegnete Dame. Die
eine Seele, an die er sich am Tiefpunkt seines Lebens gewandt hatte, als sein
Körper ihn im Stich ließ — und mit ihm auch sein Glaube.
Es wäre ein Vergnügen, sie zu
vernichten. Ihre Trauer würde ihn ernähren und sogar bereichern.
Aber er würde ihr nichts tun.
Er könnte es, wenn er wollte, doch er wollte nicht. Der aus dem Nichts geborene
Zorn verblasste in dem Moment, als ihn diese Erkenntnis traf. Er war
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