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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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oder zwölf Zuschauern des Mah-Jong-Spieles zwischen dem geduckten, dunkelhaarigen Mann, der mit gekreuzten Beinen hinter dem Brett saß und sich mit den Ellenbogen auf den Knien wiegte, und einer großen, sommersprossigen Frau mit militärisch kurzem Haar, die viel mexikanisches Silber unter und über ihrem Baumwollhemd trug. Ihr Gürtel war Türkis und Silber. Als ihre langen, fleckigen Finger mit den blauen Steinen zwischen die Figuren fuhren, sah Kidd, daß ihre Nägel genauso schlimm abgekaut waren wie seine.
    Ein Mädchen, das zuerst nur wie ein Mop aussah, kauerte auf dem Boden (zwei mürbe Knie standen an den Seiten hoch) und zupfte bunte Bänder durch ein Stück Pappkarton - der Rest von Johns Loom-Projekt.
    Ein anderes Mädchen (ihr Haar hatte die Farbe eines Autos, an das er sich erinnerte, dessen Besitzer meinte, er habe es gerade gestrichen: »Mittelmeer-Gold«) saß auf einer geflammten Blechtrommel und band sich einen knöchelhohen Schuh zu - die mit den Haken anstelle der Ösen. Ihre Hosenbeine waren bis zu den sehr roten Knien hochgerollt. Ein bärtiger Junge stand neben ihr, redete und grinste, schob manchmal sein buschiges Haar nach hinten und trug ein goldenes Kreuz im Ohrläppchen. Sein Tennisschuh auf der Trommel lehnte dicht an ihrem Knie. In der Trommel selber war Ton, der von den Seiten weggeplatzt war und Sprünge hinterlassen hatte - die Überbleibsel von Millys »Töpferei-Projekt«.
    Milly selber oder Lanya waren nicht zu sehen ...
    Harmonikatöne verwoben sich oben mit den rauchigen Blättern. Er blickte hoch. Musik - aber nicht von oben - von weit weg. Aber aus welcher -?
    Er sah sich noch einmal auf der Lichtung um und schlug sich dann in die Büsche . . . und gelangte auf einen anderen Parkweg, der sich hinauf zu den silbrigen Tönen wand. Er ging ihnen nach, und wunderte sich, wie wenig er bisher von dem Park kennengelernt hatte.
    Die Musik entfernte sich.
    Noten bogen sich wie Stimmungen, glitten chromatisch von einer Tonart zu einer strengeren. Sie schien (er grinste) hauptsächlich vom späten Sonny Terry und frühen Stockhausen beeinflußt zu sein.
    Vom Hügel oben sah er sie unter sich: Millys nackte Beine aus den Baumwollshorts, Lanyas Jeans; Millys schweres rotes Haar flog, als sie sich umdrehte; Lanyas kurze Bronze, über die Harmonika gebeugt. Die beiden Mädchen verschwanden Schulter an Schulter um eine Biegung.
    Er wollte hinter ihnen herlaufen und ging den wahrscheinlichen Dialog schon mal durch: Hey, ich bin gerade mit den Richards in die neue Wohnung gezogen! Die großen Sachen sind schon oben, deshalb hat mir Mrs. Richards für den Rest des Tages freigegeben. Morgen früh schleppe ich die Teppiche hoch, und wir stellen die Möbel . . .
    Zwei Schritte, und plötzlich brach unerklärlich und dringlich das Verlangen in ihm aus - ihnen nachzugehen, sie zu beobachten, ihnen zu lauschen! Was er wollte, er wurde sich dessen bewußt, war, Lanya zu beobachten, wenn sie ihn nicht sah.
    Der Weg bog nach links ab.
    Er arbeitete sich nach rechts in die Büsche - und machte dabei eine Menge Lärm. Nun, wenn sie ihn entdeckten, dann war er eben entdeckt. Er war immer noch neugierig.
    Die Musik hörte auf. Redeten sie?
    Der Pfad senkte sich jetzt; der Boden, über den er sich schlich, stieg an. Würde er überhaupt auf sie treffen? Ein steiler Abhang ließ ihn anhalten.
    Hinter Felsen und ein paar schiefen Bäumen auf dem Abhang lag der Weg sechzehn Fuß unter ihm. Was bedeutete, rechnete er sich aus, daß sie genau hier um die Kurve biegen würden - und ihn sehen würden.
    Sie kamen um die Biegung - und sahen ihn nicht.
    Mit einer Hand hielt er sich an einem dünnen Ast; der nackte Fuß flach, Sandale an der Zehe, wartete er und hielt hinter seinem Gesicht ein Lächeln bereit für den Fall, daß sie ihn entdeckten. Ob er wohl einige Gesprächsfetzen auffangen konnte (vielleicht sogar über ihn?) bevor sie hochblickten und ihn sahen?
    ». . . entsetzliche Angst«, sagte Milly in einem Ton, der weder aufgeregt noch rhetorisch klang.
    »Aber da gibt's nichts, wovor du Angst zu haben brauchtest«, sagte Lanya. »Ich glaube, nach all diesen Gerüchten über Vergewaltigung und Gewalt bist du fasziniert, wenn du den Mann selber kennenlernst.«
    Oh, die Gerüchte sind schon faszinierend genug«, sagte Milly, »in absolut schrecklicher Weise -«
    »Der Mann ist aber ganz nett« - Lanya drehte ihre Harmonika und sah sie genau an -, »trotz der Gerüchte. Findest du nicht die Realität

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