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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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verdammte schlechte Rechts-Links-Orientierung, die unter Spannung immer schlechter wurde - das Problem der Beidhänder, hatte einmal ein Arzt ihm erklärt -, war jetzt völlig abhanden gekommen. Also, er war von dieser Straßenseite gekommen. Er eilte in die andere Richtung in der Hoffnung, wieder auf den Weg zu kommen und sie zu überholen.
    Die Büsche waren - natürlich - hier dichter. Der Abhang war so steil, daß er teilweise auf Händen und Füßen kriechen mußte. Dachte: Wann habe ich zum letzten Mal Sonne durch grüne Blätter flirren sehen? Der Himmel, den er in Stückchen sah, hatte die Farbe von Eisen. Die Blätter, jedes in einer Aschehülle, waren wie grausamtene Fetzen oder wie tote Mäuse.
    Kies rollte unter seinen Füßen weg. Nein, dachte er, das kann nicht sein, daß sie jetzt zu George Harrison gehen! Er hatte her-
    ausgefunden, daß sie zwischen der ersten und der zweiten Biegung das Thema völlig gewechselt hatten.
    Und wo zum Teufel war die dritte? Bäume gruppierten sich lose um große Felsbrocken. Er ging nahe an einem vorbei, lehnte sich daran, sprang einen kleinen Abhang hinab, fegte an Büschen vorbei -
    Auf einem flachen Felsen (ein Teil war mit Beton ausgefüllt, um die Unebenheiten auszugleichen) erhob sich ein Gebäude aus schwarzen Steinen, die rund und ungefähr kopfgroß und mit weißem Mörtel aneinandergefügt waren. Über den verschiedenen Flügeln erhob sich ein viereckiger Turm mit einem zinnengeschmückten Balkon aus den gleichen schwarzen Steinen. Die Gebäude waren nicht groß; der Turm hatte nur drei Stockwerke. Die tief eingelassenen Bogenfenster waren aus körnigem Glas und so schmal, daß er sich nur mit Mühe hätte durchzwängen können.
    Eine hüfthohe Mauer zog sich an zwei Seiten eines großen, unregelmäßigen Hofes vor dem Gebäude entlang.
    An der Ecke saß mit schwarzgerahmter Brille, die Absätze der Arbeitsstiefel tief in den Boden gegraben, Ellenbogen auf den Knien eines schmutzigen Khakioveralls, die Times in der Hand: George Harrison.
    Kidd duckte sich.
    Blätter flogen vor dem Bild hoch. Kidd beugte sich nach vorn; seine Knöchel gruben sich in Erde. Blätter kitzelten an seiner Wange.
    Kidd hatte Angst; Kidd war fasziniert. Die Ursache für beides verschaffte ihm feuchte Hände.
    George nahm die Brille ab und steckte sie in seine Brusttasche, glitt von der Mauer und streckte sich mit gespreizten Beinen und ausgestreckten Fäusten. Khakifalten zogen sich von der Seite zu den Schultern.
    (Kauerte da, beobachtete: Neugier und Furcht mischten sich in selbstgerechtes, stilles Gemurmel: Spaß muß sein, aber was für einen Streich wollten sie ihm spielen?)
    Georges Gesicht verzog sich unter einem metallenen Himmel, der so niedrig hing, daß die brennende Stadt ihn geröstet und versengt hatte wie den Boden eines Aluminiumtopfes.
    Hinter einer Mauerlücke (in der Stufen waren, wie Kidd an ihrem Gang merkte) tauchte Lanya - Haare, Nase, Kinn, Schultern - auf. »Hey, George!« sagte sie. »Bist du heute nachmittag schon wieder hier? War dir das Stadtleben zuviel?«
    Milly (hatte sie gekniffen?) war nicht bei ihr.
    »Hu?« Stimmhafte Aspiration und stimmloser Konsonant. George dreht sich um, als sie auf der obersten Stufe ankam. »Komm'se auch, ha?« Der letzte Konsonant war merkwürdig gehaucht, wonach die Lippen sich nicht wieder schlossen, sondern schwer vor den Zähnen herabhingen. Die Zähne, das konnte Kidd selbst aus der Entfernung sehen, waren groß, sauber und gelb. Wie konnte man diese abgehackte, akopokische Musik in lateinische Buchstaben und Standardzeichen der Elision übertragen? Er entschied: Kann man nicht. »Machst du 'nen Nachmittagsspaziergang, yeah?« George lachte und nickte. »Ich hab' dich schon spielen hören und dachte: Ob 'se wohl vorbeikommt? Un' mir gu'n Tag sacht?«
    »Guten Tag«, lachte Lanya und steckte die Harmonika in die Brusttasche. »Ich komme nicht immer hier vorbei«, sagte Lanya, (die seine Worte wohl leicht mißverstanden hatte). »Ich habe dich hier vor ein paar Tagen gesehen, aber das letzte Mal war es in der Bar. Warum kommst du jeden Nachmittag hier in den Park?«
    »Den Himmel ansehen . . .« George zuckte mit den Schultern. »Die Zeitung lesen.«
    (Kidds Knöchel brannte von der kauernden Position. Er zog den Fuß heran - Zweige knackten. George und Lanya hörten es aber nicht.)
    »Das letzte Mal, daß ich in der Bar war -« (Kidd lauschte auf die melodiöse Inflexion, die die breiige Masse bei Ich und Bar zu einem

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