Dhalgren
mich angesprochen haben.«
»Dann ist es gut, daß ich nicht hineingegangen bin. Sie hätte .. . mich sehen können.« June schloß die Augen, zu lange für ein Zwinkern. »Wenn sie mich gesehen hätte, das wäre einfach . . .«
Ihre blonden Energien waren für ihn schrecklich, doch flüchtig. »Warum - das verstehe ich immer noch nicht - sind Sie so hinter ihm her? Ich meine . . . nach dem, was passiert ist. Ich meine, das geht mich natürlich nichts an. Aber ich . . . « Er fühlte, wie sich die Frage in seinem Zögern verlor und hörte auf.
Sie sah empfindsam und ängstlich aus. »Ich weiß nicht . . . jetzt nicht. Sie würden es nicht verstehen« - dann war auch die Verwundbarkeit weg —, »wenn ich es Ihnen erzählte. Sie haben . . . diesen Mond nach ihm benannt.«
Er tat, als würde er sie nicht anstarren. »Genügend andere Leute sind hinter ihm her. Deshalb gibt's das. Machen Sie es auf.«
Mit kleinen, schnellen Bewegungen schüttelte sie den Kopf. »Aber sie wissen nicht . . .« Sie konnte ihn nicht länger ansehen und blickte auf die Rolle. »Ich weiß mehr als sie.«
»Hey«, fragte er in die unbehagliche Stille, »was ist denn zwischen Ihnen beiden passiert?«
»Lesen Sie es in der Times nach.« Sie blickte hoch.
Er suchte nach der Angriffslust, von der sie ihm erzählt hatten: Ihre Züge verrieten nichts dergleichen.
»An dem Abend, an dem die Schwarzen revoltierten? Ich war aus, ging so herum. Es blitzte. Und donnerte gewaltig. Ich weiß nicht, was passiert ist. Und dann ... ich habe nicht einmal den Mann mit der Kamera gesehen bis - Es war genauso wie auf den Bildern!«
»Oh«, was ihr nichts gab.
Sie ging zur Tür. Kurz davor hatte sie das Gummiband abgerollt und rollte das Poster auseinander.
»Ist er das?« fragte er, dachte, es sei lediglich freundlich, rhetorisch gemeint, hörte aber die echte Frage heraus.
Aus der Bewegung ihres Hinterkopfes, der hier- und dorthin blickte, wurde ein Nicken. Sie sah zurück. »Warum . . . macht man ... so etwas?«
»Ich glaube, ein paar andere Leute fanden ihn genauso wie Sie. Gestern abend habe ich mit ein paar Freunden darüber geredet. Mit dem Mädchen, mit dem ich zusammen wohne. Sie ist vielleicht ein paar Jahre älter als Sie. Und diesem Typen. Er ist Ingenieur wie Ihr Vater. Wir haben in der Bar darüber geredet, ob ich Ihnen das geben soll.«
Ihr Gesicht nahm von selber einen sorgenvollen Ausdruck an.
»Ich habe Ihnen nicht Ihren Namen genannt oder so. Sie haben es sehr ernst genommen. Ernster als ich zuerst. Sie haben nicht gelacht oder so.«
». . . Was haben sie gesagt?«
»Daß es meine Entscheidung wäre, weil ich Sie kenne. Daß etwas Schlimmes passieren könnte, oder etwas Gutes. Mögen Sie es?«
Sie blickte wieder hin. »Ich denke, das ist das Schrecklichste, was ich jemals gesehen habe.«
Er war wütend, schluckte den Ärger aber hinunter. »Dann zerreißen Sie es, und werfen Sie es in den Liftschacht - wenn Sie wollen.« Er wartete und fragte sich, ob ihr Kopf schütteln Verwirrung oder Ablehnung bedeutete. »Ich würde es an Ihrer Stelle behalten.«
»Hey, was ist das denn?« Aus der Art, wie Bobby in das Zimmer platzte, dachte Kidd, er würde wie ein Clown durch das Poster springen.
June zerknüllte die Ecken. »Ein Bild.« Die weiße Rückseite legte sich faltig um ihre Hüften. »Wovon?«
»Nichts, was dich interessieren könnte!«
»Hast du es hier oben in einem Schrank gefunden?« fragte Bobby. »Ich wette, es ist eine nackte Frau. Ich hab' schon Bilder von nackten Frauen in der Schule gesehen.«
June schnalzte mit den Lippen. »Also wirklich.«
»Komm, zeig's mir.«
»Nein!« June versuchte, das Papier zusammenzurollen. Bobby spähte dahinter, und sie fuhr herum. »Das ist nicht deins!«
»Oh, ich will deine nackte Frau gar nicht sehen. Hey, Sie haben es aber wirklich saubergekriegt, Kidd. Müssen wir jetzt alles hoch tragen?«
»Yeah.«
»Wir haben schrecklich viel Zeugs in der Wohnung.« Bobby blickte zweifelnd.
»Wir schaffen das schon.«
June rollte die letzten Enden des zerknüllten Posters auf, nahm die Magazine und ging in den Flur zum hinteren Teil der Wohnung.
»Ich werde einfach hineinschleichen und es mir ansehen, wenn du nicht da bist!« rief Bobby.
Am Ende des Flurs fiel eine Tür laut ins Schloß.
»Komm schon«, sagte Kidd. »Laß deine Schwester in Ruhe. Laß uns hinuntergehen und Möbel hochtragen.«
»Nee!« beklagte sich Bobby, obwohl er hinter Kidd herkam. »Sie würde mich verraten,
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