Dhampir - Halbblut
das Saatgeld, wenn wir bis zum Frühling alle tot sind?«
Petre atmete scharf ein. »Wie lange überleben wir nächstes Jahr, wenn wir nichts zu essen haben? Wie lange überleben wir in den Verliesen des Herrn, wenn wir die Steuern nicht bezahlen können?«
Magiere nahm nicht an dem Gezänk teil. Es würde eine Zeit lang hin und her gehen, bis sich schließlich die Furcht durchsetzte. Ihr folgte die Hoffnung, dass sie im nächsten Jahr irgendwie über die Runden kommen würden, wenn sie den jetzigen Schrecken überstanden. Magiere kannte diese Bauern. Sie waren alle gleich.
Argumente flogen hin und her. Magiere achtete nicht darauf, inspizierte den Inhalt ihres Rucksacks und war sicher, wie die Diskussion enden würde. Jene, die das Saatgeld behalten und hinsichtlich des Vampirs ein Risiko eingehen wollten, würden bald in die Minderzahl geraten. Und tatsächlich: Der Streit hörte so schnell auf, dass sein abruptes Ende überraschend gewesen wäre, wenn Magiere dies nicht oft erlebt hätte.
Zuerst sprach niemand. Dann trat ein schmächtiger Mann in mittleren Jahren von einer Ecke in die Mitte des Raums und sah den Zupan an. Die Rußflecken auf seiner Lederschürze ließen vermuten, dass er der Schmied des Dorfes war.
»Gib ihr die Münzen, Petre. Uns bleibt keine Wahl.«
Petre verließ das armselige Gemeinschaftshaus und kehrte kurz darauf schnaufend zurück. Mit feurigen Augen sah er Magiere an, als wäre sie die Ursache des Leids, nicht als hätte man sie gerufen, um das Dorf zu retten.
»Hier ist das, was nach den Steuern dieses Jahres übrig blieb.« Petre warf ihr den Beutel zu, und Magiere fing ihn auf. »Nächstes Jahr gibt es vielleicht kein Getreide.«
»Es steht euch frei zuzusehen«, sagte sie, und mehrere Dorfbewohner wichen in die Schatten zurück. »Ich werde den Untoten unter meine Kontrolle bringen. Bleibt zu Hause und beobachtet durch die Fensterläden, wie gut ihr das Saatgeld angelegt habt.«
Der Hass in Petres Augen verwandelte sich in Resignation. »Ja, wir sehen zu, wie du das Ungeheuer tötest.«
Der Regen hatte ein wenig nachgelassen. Magiere kniete mitten auf dem Hauptweg des Dorfes, im Licht von zwei Fackeln, deren Griffe sie in den Boden gesteckt hatte. Sie stellte die Messingurne in den Matsch und drehte sie einige Male, bis sie sicher war, dass das Gefäß nicht kippen konnte. Einen kleinen Holzhammer legte sie daneben.
Anna und zwei Männer beobachteten das Geschehen durch einen Spalt zwischen den Fensterläden des Gemeinschaftshauses. Weitere neugierige Blicke kamen aus anderen kleinen Häusern und Hütten. Doch der Zupan stand vor der Tür des Gemeinschaftshauses.
Magiere nahm eine Flasche aus ihrem Rucksack und gab daraus feines weißes Pulver auf eine Handfläche. Sie ließ es zwischen ihren Händen hin- und herrieseln, warf es dann mit einer schwungvollen Bewegung hoch und wartete. Die winzigen Partikel fielen nicht, sondern bildeten eine Wolke, die im Licht der beiden Fackeln auf wundersame Weise zu glühen begann. Sie hörte, wie die Bauern nach Luft schnappten.
Aus einer anderen Flasche schüttete sich Magiere rotes Pulver auf die Hand und warf es ebenfalls hoch, noch schwungvoller. Die winzigen roten Teilchen tanzten zwischen den weißen und bewegten sich wie sandkorngroße Glühwürmchen.
Magiere stand still da und schloss für einen Moment die Augen. Dann hob sie die Lider, ohne den Blick auf etwas zu richten. Von der glühenden Wolke umgeben wirkte sie mit ihrer blassen Haut und dem dunklen Haar wie ein Geist, wie etwas, das mit den Geschöpfen der Nacht, die sie jagte, verwandt war. Wenn das vom Fackelschein geschaffene rote Funkeln und Schimmern ihren Kopf berührte, so erschienen karmesinrote Streifen in ihrem Haar. Sie nahm den zugespitzten Stock und schloss die Hand fest um den ledernen Griff.
»Das Rote lockt den Untoten an, wie Blut!«, rief sie. »Er kann ihm nicht widerstehen.« Sie ging in die Hocke, ließ den Zopf über die linke Schulter fallen und sah über den Weg, in die Richtung, aus der das Ungeheuer kommen würde.
Ein vager Schemen huschte zwischen den Gebäuden.
Magiere deutete auf eine halb verfallene Hütte zehn Schritte den Weg hinunter. »Dort! Er kommt!«
Mit den Fingerspitzen der freien Hand öffnete sie den Deckel der Urne, nahm eine andere Flasche mit rotem Pulver und warf ihren Inhalt in die
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