Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)
Besuch«, erwiderte Skyion. »Der Hauptmann ermittelt in Hinsicht auf einen Einbruch in ein Skriptorium.«
»Ich habe davon gehört«, sagte die Herzogin. »Eine sehr bedauerliche Angelegenheit.«
Das war eine weitere Überraschung. Wie konnte die königliche Familie so schnell von dem Einbruch erfahren haben?
Herzogin Reine sah Rodian an. »Ermittlungen bei unseren Weisen helfen Euch gewiss nicht dabei, den Schuldigen zu finden.«
Der Hauptmann verlagerte das Gewicht voller Unbehagen von einem Bein aufs andere. »Hoheit, ich dachte, dass sich die königliche Familie wegen der Ermordung der beiden jungen Gildenmitglieder große Sorgen macht. Und in beiden Fällen gingen gewisse Dokumente der Gilde verloren. Ich möchte mehr über diese Dokumente erfahren – um weiteren Verlusten vorzubeugen.«
»Habt Ihr Hinweise darauf, dass sich diese Verbrechen gegen das Projekt der Gilde richten?«, fragte die Herzogin, und es schien ihr Mühe zu bereiten, ruhig und leicht zu sprechen.
Rodians Blick ging zu Premin Skyion, und er suchte nach Worten. »Nicht in dem Sinne, aber … «
»Das Übersetzungsprojekt ist für die Gildenmeister sehr wichtig«, fuhr Herzogin Reine fort. »Und sie wiederum sind wichtig für unser Land und seine Bürger, ja?«
Die Herzogin drehte sich zur Seite, wodurch der lange Rock in Bewegung geriet. Vorn öffnete sich ein Schlitz, durch den eine dunkle Kniehose und glänzende Reitstiefel sichtbar wurden.
Solche Kleidung kam für ein Mitglied der königlichen Familie von Malourné nicht infrage, war bei den Adligen von Faunier aber durchaus üblich. Sie stammten aus einem Volk von Reitern, deren Pferde in Ghassans Heimat sehr geschätzt wurden.
»Könntet Ihr derzeit nicht anderen Spuren nachgehen, bis Ihr sicher seid, dass eine Verbindung zum Projekt der Gilde existiert?«, fragte die Herzogin. »Ich bin sicher, dass Ihr beide Fälle gelöst habt, bevor die Gilde belästigt werden muss.«
»Euer Hoheit?«, fragte Rodian.
»Die königliche Familie wäre Euch für Euren guten Glauben dankbar.«
Der Hauptmann schwieg und nickte nach einem kurzen Blick zu Premin Skyion.
»Danke, Siweard«, sagte die Herzogin. »Ich bin von Eurer Tüchtigkeit überzeugt. Beim nächsten Vollmond erwarten wir Baron Twynam zum Abendessen. Soweit ich weiß, ist er ein Freund von Euch. Wir würde uns freuen, wenn auch Ihr zugegen sein könntet.«
Rodian nickte erneut.
Ghassan hatte den kleinen Lapsus der Herzogin bemerkt. Sie hatte den Hauptmann mit dem Vornamen angesprochen, was in der Öffentlichkeit nicht üblich war und sich angesichts des großen Rangunterschieds auch gar nicht gehörte.
Herzogin Reine wandte sich wieder an Premin Skyion. »Lady Tärtgyth, darf ich Euch und Domin Hochturm bitten, mir die Verbesserungen der neuen Bibliothek zu zeigen? Ich wollte schon viel eher kommen, aber ich habe so viele andere Pflichten zu erfüllen.«
Premin Skyion neigte höflich den Kopf und führte die Herzogin und ihr Gefolge zum nordöstlichen Ausgang des Gemeinschaftsraums. Nach einem abfälligen Schnauben, das Rodian galt, schloss sich Hochturm der Gruppe an.
Ghassan sah ihnen nach, und dabei galt seine besondere Aufmerksamkeit dem großen Elfen bei der Herzogin. Sein Umhang ähnelte der Kleidung eines Weisen. Aber Weiß war nicht die Farbe eines Ordens, und die Vorstellung, dass der fremde Einfluss, der Ghassans Zauber blockiert hatte, aus jener Richtung gekommen war, erschien ihm absurd. Schon bei den Menschen wusste kaum jemand von seiner Kunst, und bei den Lhoin’na – »Jene von der Lichtung« – fehlte selbst dieses geringe Wissen.
Domins und Premins der Gilde gaben sich alle Mühe, das Wissen um die Übersetzungen der alten Texte zu beschränken. Doch die königliche Intervention war zu schnell erfolgt. Hatte Skyion die Monarchie um Hilfe gebeten? Und wenn nicht … Wusste Herzogin Reine oder die königliche Familie etwas über den Inhalt der Texte, etwas, das niemand erfahren sollte, nicht einmal der Hauptmann der Shyldfälches?
Ghassan seufzte verärgert. Ein Mitglied der königlichen Familie erschien genau im richtigen Augenblick, sprach die Premin mit einem Adelstitel an und verriet eine Verbindung zu dem Mann, der seine Nase zu tief in die Angelegenheiten der Gilde steckte.
Hauptmann Rodian kam direkt auf Ghassans Tisch zu, das Gesicht verkniffen. Er war ganz offensichtlich nicht daran gewöhnt, zurückgepfiffen zu werden, auch wenn es ein freundlicher Pfiff gewesen war.
»Reisende Hygeorht
Weitere Kostenlose Bücher