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Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Titel: Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barb J. C. Hendee
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musste die Möglichkeit, dass Jeremy und Elias nicht wegen der Ledertasche und ihres Inhalts gestorben waren, zumindest in Erwägung ziehen. Und der Einbruch in Meister Shilwises Skriptorium konnte ein Zufall sein, auch wenn ihr Instinkt etwas anderes sagte.
    Sie betrat den Gemeinschaftsraum, wo Hochturm und Premin Skyion am großen Kamin standen und leise miteinander sprachen. Offenbar hatten sie die für Herzogin Reine veranstaltete Besichtigungstour durch die neue Bibliothek unterbrochen. Il’Sänke war nirgends zu sehen. Wynn zwang sich zur Ruhe, als sie zu ihren Vorgesetzten ging.
    »Danke, dass du den Hauptmann hinausgebracht hast«, sagte Premin Skyion. »Ein bisschen frische Luft hat dir gutgetan.«
    Wynn hörte die Herablassung in den Worten. Sie wie ein Kind zu behandeln, war eine weitere Methode, sie zu diskreditieren. Hochturm machte mit seinen kühlen Blicken und direkten Vorwürfen wenigstens keinen Hehl aus seiner ablehnenden Haltung.
    »Danke«, erwiderte sie höflich. »Mir ist klar, dass wir die Übersetzungen nicht der Allgemeinheit zugänglich machen dürfen, wozu auch Leute wie der Hauptmann zählen. Aber Euch sollte klar sein, dass es vielleicht jemand auf den Inhalt unserer Folianten abgesehen hat.«
    Hochturm brummte etwas, das sie nicht verstand.
    »Wenn ich Zugang zu meinen Tagebüchern, den darin enthaltenen Übersetzungen sowie den Zusammenfassungen der hier geleisteten Arbeit hätte, könnte ich dabei helfen herauszufinden, wonach diese … Person sucht.«
    »Wynn!«, knurrte Hochturm und versuchte, sie zum Schweigen zu bringen.
    »Ich habe jene Texte nicht einfach nur mitgebracht!«, entgegnete Wynn scharf und sprach dabei lauter als beabsichtigt. Ihre Stimme hallte durch den Gemeinschaftsraum. »Ich habe sie einzeln ausgewählt, weil ich nicht alles tragen konnte. Ich weiß, was ich mitgenommen habe und warum.«
    Sie atmete tief durch und versuchte, sich wieder zu beruhigen. Dann wandte sie sich direkt an die Premin.
    »Bitte … Ich kann dabei helfen, weitere Diebstähle zu verhindern oder zumindest den Grund dafür zu finden.«
    Hochturm setzte zu einer Antwort an, doch Premin Skyion hob die Hand.
    »Wynn, glaubst du wirklich, du könntest die Texte besser verstehen als die Meister unseres Ordens oder die der anderen Orden, die uns helfen? Ist das nicht ziemlich anmaßend von dir?«
    Wynn ballte die Fäuste so fest, dass sich ihr die Fingernägel in die Haut bohrten.
    »Bitte, Premin«, sagte sie. »Was könnte es schaden, mir Zugang zu gestatten?«
    Ein Schatten von Ärger huschte durch Premin Skyions ruhiges Gesicht. »Manche von uns stellen deinen Platz an diesem Ort ebenso infrage wie deine geistige Gesundheit. Du wirst dich von den Dingen fernhalten, die dich nichts angehen.«
    Premin Skyion und Domin Hochturm gingen zusammen fort.
    Wynn sah ihnen nach, bis sie den Gemeinschaftsraum durch den nördlichen Ausgang verließen. Dann wandte sie sich dem Kamin zu und schlang die Arme um sich, als müsste sie sich selbst festhalten.
    Warum hatte sie keine vernünftigeren Argumente vorgebracht? Jemand oder etwas war bereit, für das Geheimnis der Texte zu töten – jemand, der das Begaine-Syllabar verstand. Und Wynns Vorgesetzte schienen nicht bereit zu sein, diese Wahrheit anzuerkennen.
    Sie beugte sich vor, bis ihre Stirn die warmen Steine des Kamins berührte.
    »Ach, Chap«, flüsterte sie. »Was würdest du tun?«
    Er hatte gegen sein eigenes Volk rebelliert, die Feen, nicht nur, um ihr Leben zu retten, sondern auch, um das zu tun, was er für richtig hielt, um die ihm Anvertrauten zu schützen. Er war so mutig gewesen, zu einem Ausgestoßenen seines Volkes zu werden, sogar zu einem Feind.
    Wynn blickte in die glühende Asche im Kamin.
    Wenn sie Chap jemals wiedersah … Sie glaubte, ihm nur dann in die Augen sehen zu können, wenn sie ebenso viel Mut fand wie er.

6
    Am Vormittag verließ Rodian das Stadtamt, von dem aus man einen weiten Blick über die Bucht hatte, mit zwei Anordnungen, eine für Selwyn Midtons Laden, die andere für sein Zuhause. Er hatte von Anklagen gegen einen Geldverleiher gehört, diesen Fall aber nicht mit den ermordeten Weisen in Verbindung gebracht.
    Rodian schwang sich auf Schneevogels Rücken und ritt nach Osten durch die Stadt. Das innere Geschäftsviertel grenzte direkt ans königliche Gelände. Er kam an einer kleinen Bank mit Stufen aus glänzendem Granit und einem großen, luxuriösen Gasthaus vorbei, dem »Rostroten Palast«. Kaufleute auf

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