Diabolos (German Edition)
Schreckens dar.
»Was passiert mit ihm?«, fragte ich Niwa.
»Ihn haben die Geister bestraft. Niemand darf ihn berühren, will man sie nicht erzürnen.«
»Und was passiert mit ihm?«, wiederholte ich meine Frage.
»Später«, antwortete sie und bedeutete mir mit ihrem Blick zu schweigen.
Die Gemüter beruhigten sich allmählich. Mit gedämpften Stimmen beratschlagten sich die Ältesten des Dorfes. Sulana wurde von ihren Freundinnen getröstet und ich entschied mich, bei ihr zu verweilen, zumal ich spürte, dass meine Anwesenheit bei dem Rat unerwünscht war und für weiteren Ärger sorgen konnte. Gegen Abend kehrten alle ins Dorf zurück. Den Leichnam ließ man dort zurück, wo man ihn abgelegt hatte. Von Niwa erfuhr ich, was beschlossen worden war. Sulana durfte ihren verstorbenen Mann sehen und schmücken, alleine und dort, wo er nun lag. Diese Nacht noch. Bei Anbruch des Tages sollten Freunde und Verwandte ihn zu dem Friedhof oben auf den Berg bringen, wo er dann hoffentlich seine Ruhe finden würde.
Ich war erstaunt. Ein Friedhof oben auf dem Berg? Ein anderer, zweiter Friedhof, von dem ich noch nichts wusste? Ich fragte nach.
»Ein anderer Friedhof eben«, antwortete Niwa knapp. Ich merkte, ich würde jemand anderes fragen müssen, um eine Antwort zu erhalten.
Später in der Nacht sah ich von meiner Hütte aus den Schein einer einsam wandernden Öllampe, der das Dorf verließ und sich auf den Weg höher auf den Berg begab. Sulana, die arme Sulana, dachte ich und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Es klopfte an meiner Tür. Schlaftrunken stand ich auf, warf mir eine Jacke über und öffnete. Niwa stand dort, hinter ihr hielten einige Frauen Sulana in ihrer Mitte und drei Männer, die beiden Fischer und der älteste Bruder des Toten, standen etwas abseits. Es dämmerte gerade, ein Hahn krähte und der Morgennebel verschluckte alles, so dass man nicht weiter als bis zur nächsten Hütte sehen konnte.
»Es war Sulanas Wunsch«, sagte Niwa und ich spürte ihre Unzufriedenheit darüber. Ich verstand sofort. Ich durfte an der Bestattung von Sulanas Mann auf dem anderen Friedhof teilnehmen. Es war mir persönlich eine Ehre, so sehr das Vertrauen Sulanas gewonnen zu haben, aber es freute mich auch aus wissenschaftlicher Sicht. Es fiel mir schwer, beides voneinander zu trennen. Schnell kleidete ich mich an, eilte vor die Tür und umarmte Sulana. Meine Digitalkamera versuchte ich ebenso wie mein schlechtes Gewissen vor ihnen zu verbergen.
Schweigsam und in bedächtiger Stille trugen die Männer den Leichnam samt Einbaum den schmalen Pfad bergauf. Lediglich das Tropfen des Taus von den Blättern der gedrungenen Bäume, unsere Schritte auf dem steinernen Boden und unser eigenes Atmen waren auf den Weg zum Friedhof der Verfemten zu hören. Mörder, Selbstmörder und jene, die von den Geistern gestraft wurden, wie ich erfahren hatte, wurden dort oben bestattet, und anders als bei gewöhnlich Verstorbenen wurde ihnen keine zweite Beisetzung der Gebeine zuteil. Sie wurden dort abgelegt und vergessen.
Die Zeit dehnte sich auf unserem Weg, Trauer und Verzweiflung waren spürbar. Immer unwegsamer wurde es und die Männer keuchten vor Anstrengung. Einige Zeit später verließen sie den Pfad und bahnten sich mühevoll einen Weg durch dichtes Gestrüpp. Mir erschloss sich nicht, warum oder woher sie wussten, dass sie den Pfad verlassen mussten, jedoch erreichten wir nach einigen Schritten eine kleine Lichtung, auf der sich einige typische Gräber der Bali-Aga befanden. Mit Schilfrohr und Zweigen gebaute Umrundungen sollten die auf den Boden gelegten Toten vor Tierfraß schützen. Einige der Gräber waren zerstört, Gebeine und Schädelknochen lagen, von niedrigem Gestrüpp umwachsen, herum. Ebenso die Grabbeigaben. Sulana schüttelte es bei dem Anblick, und ihre Freundinnen und auch die Männer versuchten, trotz ihrer eigenen sichtbaren Entrüstung, Sulana zu trösten. Der Einbaum wurde abgestellt und langsam fing Sulana sich wieder und wurde sich ihrer Aufgabe bewusst, einen letzten Ort für ihren Mann zu finden. Sie wählte einen Platz aus, die Männer trugen ihren Freund dorthin und legten ihn ab. Alle begannen nun nach Zweigen zu suchen, einige hatten Schilfbündel dabei und gemeinsam errichteten sie eine Barriere um den Leichnam. Ich suchte auch nach Zweigen und versuchte heimlich und mit einem Gefühl der Beschmutzung, brauchbare Fotos zu schießen. Nachdem wir unsere Arbeit beendet hatten, nahm ein jeder Abschied von dem
Weitere Kostenlose Bücher