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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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gestellt. Über dem Gipfel des Baturs sammelten sich dunkle Wolken, türmten sich auf und begannen zu zirkulieren. Der Wind wuchs zu einem Sturm, dessen Böen einen Menschen umwerfen konnten, Blitze begannen vom Himmel zu zucken und der darauffolgende Donner ließ mich vor Angst zusammenfahren. Über zwei Stunden dauerte es an, ehe ich mich wieder beruhigen konnte, so klein und ohnmächtig und vor allem bedroht kam ich mir vor. Nicht nur ich. Auch die Bali-Aga waren voller Angst. Ich sah sie hektisch und aufgeregt gestikulierend zwischen ihren Hütten hin und her rennen. Frauen wehklagten, aber ich konnte nicht erkennen weswegen, noch traute ich mich aus meiner eigenen Hütte hervor.
Später beruhigte sich das Wetter und ein langanhaltender, kräftiger Regen folgte. Neugierig ging ich auf den Dorfplatz, von wo ich immer noch laute Stimmen und Klagelaute vernahm. In der Mitte des Platzes knieten drei Frauen im Schlamm, bewarfen sich mit Erde und neigten ihr Haupt zu Boden. Die Männer riefen laut umher und gestikulierten wild. Drei junge Fischer waren noch mit ihren Booten auf See. Die Sorge um sie war groß, die restlichen Männer trauten sich noch nicht, nach ihnen zu suchen, da sich weitere Wolken zu massiven dunklen Wänden formten, aus denen bereits vereinzelte Blitze hervorbrachen. Ich stellte mich zu den trauernden Frauen und nahm Sulana, eine von ihnen, die ihren Mann vermisste, in den Arm. Einige Männer reagierten ungehalten auf diese Geste, kamen schimpfend näher, aber die Frauen stellten sich zusammen und wiesen sie zurück. Auch wenn es aus wissenschaftlicher Sicht des Feldforschers ein Durchbruch war, an dieser Stelle habe ich ihn so nicht wahrgenommen, zu sehr wurde ich persönlich durch das Leid berührt. Die Frauen deuteten ein Missgeschick als Zeichen drohenden Unheils. Bevor Nurias Mann zum Fischen fuhr, war ihre Muschelkette zerrissen, die sie von ihm geschenkt bekommen hatte. Die Frauen waren sich sicher, dass dies ein Zeichen gewesen war, welches man hätte sehen müssen, die Geister hätten es nicht umsonst geschickt. Die Männer gaben sich untereinander Schuld, die jungen Fischer nicht zurückgehalten zu haben. Die Wolkenfront zog nach und nach ab und schnell eilten sie zu ihren Booten, um nach den Vermissten zu suchen.

    An jenem Tag bekam ich den Todesfall, auf den ich gewartet hatte, und seither plagte mich ein schlechtes Gewissen.
Kaum, dass die Männer ihre Einbäume zu Wasser gelassen hatten, konnten sie auch schon umkehren. Aus dem aufkommenden Nebel, der über dem See wie ein Tuch wallte, schälten sich Fischerboote. Ich stand mit den Frauen am Ufer. Wir hielten den Atem an und zählten die Boote. Als erstes schrie Nuria vor Glück auf, ihr Mann ruderte im ersten Boot. Pajana fiel ihr danach um den Hals, ihr Mann kam auch zurück. Nur das dritte Boot kehrte nicht heim. Die Stimmen der Männer wehten vom See zu uns hinauf, alle machten kehrt und kamen zurück zum Ufer gerudert. Sulana brach mit einem Schrei zusammen, wir hielten sie fest. Alle umarmten wir sie und versuchten, den Schmerz aus ihr heraus zu streicheln. Als die Männer mit ihren Booten am Ufer landeten, strömten die Frauen zu ihnen. Trotz meiner emotionalen Befangenheit konnte ich erkennen, dass sie stritten. Sulanas Mann lag in einem der beiden Boote. Seine Gefährten wollten ihn herausheben, doch die anderen Männer hinderten sie daran. Niwa erklärte mir auf balinesisch, dass Sulanas Mann von einem Blitz getroffen worden sei und schlug die Hände über ihren Kopf zusammen. Ich verstand dennoch nicht, warum man ihn nicht aus dem Boot holen durfte und fragte beharrlich nach, ahnte aber bereits, dass diesem Tod eine besondere Bedeutung innewohnte. Unaufgeregt und mit ehrlicher Anteilnahme kümmerte ich mich mit um die trauernden Frauen und versuchte weitere Informationen einzuholen. Währenddessen lag der Tote weiter in dem Einbaum, welches die Männer nun an Land trugen. Wieder brach ein Streit aus, er durfte nicht auf den Dorfplatz gebracht werden, was bei den Freunden und Verwandten Empörung hervorrief. Aber sie fügten sich der Entscheidung der Dorfältesten, trugen ihn an den Rand der Siedlung und stellten ihn dort auf einen Pfad, der höher auf den Berg führte. Es regnete immer noch stark. Ich konnte einen Blick auf Sulanas Mann werfen, dessen Körper in der kalten Luft sichtbar dampfte. Starke Verbrennungen zeichneten sein Gesicht und den Oberkörper. Zur Embryonalstellung verkrampft stellte er ein Bild des

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