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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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beschloss ich, mich auf eigene Faust durchzuschlagen. Mit einem Taxi fuhr ich nach Kintamani, einem Bergdorf, in dem es noch möglich sein sollte, eine Unterkunft für die Nacht zu finden. Tatsächlich bekam ich ein einfaches Zimmer in einem Guesthouse.
Frisch gewaschen versuchte ich, die Erschöpfung durch die Reisestrapazen und die anfängliche Aufregung am Flughafen durch einen Spaziergang zu lindern.
Eine andere Welt. Es dämmerte und auf der wenig befahrenen Hauptstraße tollten sich Hunde, Hühner, Schweine, spielende Kinder, vor Hauseingängen sitzende Greise und junge Männer. Frauen konnte ich in dem spärlichen Licht der Häuser im Haushalt arbeiten sehen. Wie eine nebulöse Ahnung erhob sich der Berg Gunung Batur in der Ferne in den Himmel, uralt und geheimnisvoll.
Als allein reisende Frau provozierte ich unterschiedliche Reaktionen, über die ich mir aber im Vorfeld bewusst gewesen war. Eigentlich hätte ich hier nicht alleine sein sollen. Vor dem Schlafengehen kümmerte ich mich nochmals erfolglos um meinen Kontakt.
Tags darauf erhielt ich die Nachricht, dass mein Dolmetscher und Kontakt zu den Bali-Aga, ein Mann namens Made Kutut, gestern verhindert gewesen war und mich heute abholen würde. Ich übte mich in Gelassenheit, schrieb bis dahin meine Eindrücke ins Tagebuch und vertrieb mir die restliche Zeit mit Erkundungen rund um das Dorf. Am späten Nachmittag erschien mein Kontakt, ein Balinese, etwa in meinem Alter, der mich freundlich begrüßte und sich anbot, meine Sachen ins Auto zu tragen. Ich lehnte reserviert ab und setzte mit meiner Reaktion ein Zeichen. Ohne Umschweife sprach ich sein sich durch die Verspätung minderndes Honorar an und hatte damit den richtigen Nerv getroffen. Nach ausschweifenden Verhandlungen, in denen jeder sein Geschick beweisen und seine Haltung festigen konnte, einigten wir uns auf einen Kompromiss und wurden uns gegenseitig sympathisch.

    Luftlinie waren wir ungefähr 7 Kilometer von dem Zielort entfernt, dennoch dauerte die Hinfahrt bis spät in die Nacht. Serpentine um Serpentine fuhren wir bergan und bergab und erreichten das Dorf Abang in 2153 m Höhe. Es war furchtbar kalt und ich beeilte mich, mein Equipment in mein Quartier zu tragen, um mich in meinen Schlafsack legen zu können. Umringt von zwei vulkanischen Bergen genoss ich einen letzten Blick auf den großen See, der im Tal im fahlen Mondschein glitzerte.

    Am nächsten Tag reisten wir mit dem Boot nach Trunyan, jenem Dorf in dem die Bali-Aga am Ufer des Danau Batur noch mit dem Einbaum vom Fischfang lebten. Touristen kämen zu dieser Jahreszeit kaum hierher, beschwichtigte mich Made. Neugierig saß ich im Boot und sah das Dorf auf uns zu kommen. Ich war gespannt auf all die Erfahrungen, die mich erwarteten. Doch wie ich von anderen Feldforschern zu hören bekam, machte man seine besten Entdeckungen erst, wenn man am Boden zerstört war. Dieses Schicksal sollte auch mich ereilen.

    Über zweieinhalb Monate forschte ich beinahe ergebnislos. Alles, was während einer Feldforschung hatte schief laufen können, war schief gelaufen. Ich hatte keinen Zugang zu den Dorfältesten bekommen, sie verweigerten mir als Frau die Auskünfte, die ich benötigte. Der Friedhof entpuppte sich als Touristenattraktion, täglich ließen sich welche mit dem Boot übersetzen und stapften durch die Anlage, schossen Fotos und versuchten Grabbeigaben als Souvenir zu stehlen. Allein eine brauchbare Fotostrecke zu schießen war deshalb unmöglich. Und zusätzlich, auch wenn es makaber klingt: Es starb niemand in der Zeit meines Aufenthalts. Eine Trauerzeremonie, wie ich sie mir insgeheim erhofft hatte, konnte ich folglich nicht beobachten. Isoliert und frustriert bereitete ich mich auf meine nahende Abreise vor und spielte mit dem Gedanken, vorzeitig abzubrechen, um mir wenigstens die letzten Tage mit einem Urlaub zu versüßen. Made konnte mir nicht helfen, auch wenn er sich sichtlich bemühte. Nur die geschlossenen “Freundschaften“ zu einigen Frauen im Dorf verhinderten, dass ich völlig verzweifelte.
    Für die kommenden Tage wurde ein Unwetter erwartet, sodass ich noch nicht abreisen konnte, selbst wenn ich gewollt hätte. Ich nahm mir vor, die wenigen Interviews zu transkribieren; eine Arbeit, die man eigentlich erst nach seiner Forschung beginnen sollte.
Das Unwetter war unbeschreiblich. Vorhergegangene Schlecht-Wetter-Erlebnisse meinerseits, und seien sie auch noch so bedrohlich gewesen, wurden davon in den Schatten

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