Diadem von den Sternen
der Schnabel eines Raubvogels vor.
„Vrya wurden verfolgt …“ – seine Stimme war weich, und er sprach jedes einzelne Wort langsam, gedehnt, rollte es förmlich über seine Zunge, als möge er ihren Geschmack – „… getäuscht, genötigt, aber sie sind ein heimtückischer, verschlagener, unberechenbarer Haufen Bastarde. Es gibt Männer, die damit geprahlt haben, Vrithian gefunden zu haben, aber sie sind Lügner.“
„Wie sehen Vrya aus?“ Wieder riß ihn ihre Stimme aus seinem Tagtraum, und er grinste. „Du hast mich nach meinem Geliebten gefragt“, sagte sie ruhig. „Deshalb dachte ich, daß du einen von ihnen gesehen haben müßtest.“
Er kratzte einen Hautfetzen von seiner Nase und betrachtete sie. „Ein wenig hellhäutiger, und du könntest als eine Vryhh durchgehen, obwohl …“ Er starrte angestrengt in ihr Gesicht. „Deine Augen sind eine Spur zu blau. Ich habe einmal eine Vryhh-Frau gesehen … Nicht zu nahe und an einem Ort, an dem ich bestimmt nichts zu suchen hatte – im Verlauf einer beruflichen Tätigkeit. Sie hatte rotes Haar, grüne Augen und die unglaublichste Haut. Wie deine, aber heller, milchweiß. Man sagt, sie sehen alle gleich aus: rotes Haar, grüne Augen, weiße Haut. Ich hörte einen alten Mann erzählen, daß er eine Vryhh-Frau gesehen habe; damals sei er ein Junge gewesen, der die Pubertät gerade hinter sich hatte. Dann, achtzig Jahre später, sah er die Frau wieder. Er war alt geworden, aber sie hatte sich überhaupt nicht verändert. Wer weiß, vielleicht war er senil.“
Aleytys rieb ihren Rücken am Baumstamm, brach einen Raushani-Zweig ab und fächerte damit vor ihrem Gesicht hin und her, um die drückend schwüle Luft durcheinanderzuwirbeln.
Stavver verengte seine Augen und starrte sie an; ein nachdenkliches Glitzern war in seinen umherschweifenden Blick eingewoben.
Plötzlich verzog Aleytys ihren Mund zu einem freudlosen Lächeln. „Khateyat hat mir geraten, dir nicht zu vertrauen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Was soll’s … Was kannst du mir schon tun? Ich bin zur Hälfte Vryhh. Meine Mutter, diese süße Lady, verließ mich, bevor ich laufen konnte, aber in einem Anfall von Gewissensbissen hinterließ sie mir Anweisungen, wie ich zu ihr gelangen könnte. Also hilf mir, und ich bringe dich nach Vrithian.“
Er saß ganz still, seinen Blick auf sie geheftet. Nach einer Minute schluckte er und machte einen tiefen, zittrigen Atemzug. „Warum?“
„Hast du Freunde … da draußen?“ Sie deutete mit ihrem Kopf zum Himmel hinauf. „Die deinetwegen hierherkommen würden, wenn du sie rufen könntest?“
„Ja, es gibt ein paar, die ich rufen könnte.“
„Kannst du mit einem Romanchi-Händler umgehen? Könntest du seine … Maschinerie benutzen, um jemanden zu rufen, der dich von dieser Welt wegholt?“
„Ein Romanchi!“ Er fuhr hoch und beugte sich zu ihr. „Du weißt, wo ein Romanchi zu finden ist?“
„Ich glaube schon. Vor langer Zeit hat er die Leute, aus denen mein Volk hervorgegangen ist, hierhergebracht. Meine Mutter war der Ansicht, er müßte noch an jener Stelle liegen, wo er gelandet ist. Sie fand das Logbuch in der Bibliothek des Mari’fat … Ein Gildehaus in meinem Heimattal, dort bewahren wir Aufzeichnungen auf. Ich trug es bei mir, verlor es aber auf dem Weg hierher. Aber ich weiß noch, was sie in ihrem Brief gesagt hat. Wenn ich dich dahinbringe – wirst du mich mitnehmen, wenn du weggehst?“
„Natürlich“, sagte er gelassen.
„Bei der nächstbesten Gelegenheit würdest du mich verlassen, du hältst mich zum Narren, Dieb.“ Sie lachte. „Also schreib es dir gut hinter die Ohren: Ich kann dich nach Vrithian bringen. Deshalb: Halte mich fest, Dieb; paß sehr gut auf mich auf.“
Er forschte in ihrem Gesicht, seine schmalen, grauen Augen waren schmale Schlitze in dem Gesicht mit der sich abschälenden Haut. „Du hast die Koordinaten von Vrithian?“
„Nein, natürlich nicht. Es gibt einen Weg, aber ich bin der Schlüssel.“ Sie stand auf. „Du gehst jetzt besser zum Lager zurück, Sklave. Es ist Zeit, die Chons abzubrechen.“
3
Die großen Treckwagen verließen den Fluß dort, wo er sich nach Norden wandte. Von der grasenden Herde gefolgt, stieß die Medwey-Sippe in das leere, hügelige Prärieland vor, monton folgte Tag auf Tag, und Aleytys paßte sich ruhig in den Shemqya-Haushalt ein, mied Stavver und hielt sich von Raqat fern. Die Tage vergingen angenehm durch ihren Mangel an offenkundigen
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