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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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sein könnte.«
    Santa Muerte kicherte. »Oh, ich habe viele Formen der Hölle gesehen. Ich habe sie alle gesehen.« Sie legte den Kopf schief und fixierte Anna mit ihren leeren Augenhöhlen. »Pero lo que tiene.« Olympio ergänzte: »Aber das hast du ebenfalls.« Schließlich hatte Anna ein Jahrhundert der Folter hinter sich, das erst vor Kurzem ein Ende gefunden hatte, auch wenn ihre Qualen vielleicht nicht so lange angedauert hatten wie die von Santa Muerte … Die Heilige nickte nachdenklich, und ihre Robe flatterte. »Vielleicht können wir zu einer Einigung gelangen.«
    Anna nickte. »Sehr gerne.«
    Die beiden Frauen traten ein paar Schritte beiseite. Die Vampire, die Anna hierherbegleitet hatten, waren sicherlich in der Lage, das geflüsterte Gespräch zu belauschen, aber ich war zu erschöpft, um es auch nur zu versuchen. Müde sank ich in mich zusammen, bis Asher mich wieder aufrichtete. Solange ich ihm nicht ins Gesicht sah, spürte ich, dass er es war: an der Art, wie er mich hielt, so warm und sicher.
    »Alles okay?«, flüsterte er mir ins Ohr. Er klang auch wie Asher. Irgendwie.
    »Ja«, log ich. Verstohlen sah ich mich nach Tis Leiche um, konnte sie aber nirgendwo entdecken. Offensichtlich hatten die Tunnel ihn bereits verschluckt. »Ich will hier weg.«
    Eine leichte Bewegung an meinem Kopf verriet mir, dass er nickte. »Ich auch. Dauert nicht mehr lange.«
    Anna und Santa Muerte hatten ihr Gespräch beendet. Die Heilige streckte die Skeletthand aus, woraufhin Anna auf die Knie fiel und sie küsste. Der weite Umhang der Vampirin legte sich wie eine Decke auf das Wasser. Als beide wieder standen, kehrten sie gemeinsam zu uns zurück. Wie auf ein unsichtbares Signal hin zog sich Annas Gefolgschaft zurück.
    »Was ist nun mit den Drei Kreuzen?«, rief ich. Ich musste unbedingt wissen, ob die Klinik in Sicherheit war.
    Santa Muertes leere Augenhöhlen richteten sich auf mich. Ihr Kiefer bewegte sich noch einmal, und Olympio übersetzte: »Sorge dich nicht. Mit ihnen habe ich noch eine Rechnung zu begleichen.«
    Damit schritt sie an uns vorbei. Obwohl »schreiten« es nicht ganz traf, eigentlich glitt sie reglos durch den Graben, während ihre Robe jegliche Körperbewegung verbarg. Dann stieg sie senkrecht an der Mauer empor, ihr Leuchten entfernte sich mit ihr, und sie verschwand.
    Anna blickte ihr noch einen Moment hinterher, bevor sie sich mir zuwandte. »Geht es dir gut, Edie?«
    »Es war eine lange Nacht«, antwortete ich ehrlich.
    Sie kam zu mir herüber und musterte mich kopfschüttelnd, wie eine liebe Tante, die schwer enttäuscht ist. »Ein Wiedersehen hatte ich eigentlich nicht im Sinn, als ich deine Ächtung aussprach.«

Kapitel 46
     
    Luz war tatsächlich unversehrt. Sie ließ sogar zu, dass ich ihr Handgelenk hielt, um ihr den Puls zu fühlen. Alle Knochen waren wieder verwachsen, und sie hatte einen spürbaren Herzschlag. Adriana wollte sie gar nicht mehr loslassen, während wir zu dritt auf der Rückbank eines der schwarzen Autos saßen, mit denen die Vampire gekommen waren. Vampire reisten immer höchst stilvoll. Olympio saß vorne und spielte am Radio herum. Asher hingegen hatte darum gebeten, in einem anderen Wagen heimgebracht zu werden. Am liebsten wäre ich mit ihm gefahren, aber er wirkte bedrückt und irgendwie fremd, außerdem wollte ich sichergehen, dass Olympio heil nach Hause kam.
    Adriana sagte gerade etwas auf Spanisch. Erst als Luz mir den Ellbogen in die Seite rammte, begriff ich, dass sie mit mir sprach. »Du kennst ihn also von früher?«
    »Wen?«
    »Hector.«
    »O ja. Genauer gesagt kannte ich beide von früher.« Es war wunderbar warm hier im Auto, sodass meine Haare bereits trockneten.
    Adriana ergänzte noch etwas, und Luz lächelte, bevor sie es für mich übersetzte: »Wenn man die Liebe gefunden hat, darf man niemals die Hoffnung aufgeben.«
    Ich erwiderte ihr Lächeln halbherzig, fügte in Gedanken aber hinzu: Es sei denn, man heißt Edie.
    Zuerst fuhren wir in das Revier der Reinas, und unser grimmiger Vampirfahrer hielt direkt vor dem Schrottplatzlabyrinth. Die Wachen hoben vielsagend ihre Maschinenpistolen, jederzeit auf einen Angriff gefasst, bis Luz und Adriana ausstiegen. Dann wurden überall auf dem Wall Jubelrufe laut, und die Leute strömten aus den Wohnungen der Reinas, um die beiden zu begrüßen. Der Anblick dieser glückseligen Wiedervereinigung mit ihren Freunden trieb mir fast die Tränen in die Augen. Olympio klebte am Fenster und beobachtete

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