Diagnose zur Daemmerung
zu und ließ es hin und her rollen. Es kugelte herum wie ein abartiges Spielzeug. »Was habe ich ihm denn jemals getan? Einmal abgesehen von der Drohung, dich umzubringen?«
Hector beachtete ihn nicht weiter, sondern wandte sich an mich: »Wir müssen ihn irgendwo absetzen, sonst schlage ich ihm den Schädel ein.«
»Okay.« Beschwichtigend streckte ich die Hände aus. Auch wenn ich Dren wirklich nicht in meiner Wohnung haben wollte, setzte ich dazu an, genau das vorzuschlagen. Doch dann tauchte Jorgen auf, ein Albtraum, der in gestrecktem Galopp die Straße hinunterhetzte. »Gott sei Dank.«
Hector stöhnte gereizt. »Verdammt noch mal, nicht schon wieder dieses Vieh.« Wir machten dem Spürhund Platz, als er auf die Knie sank und Dren unterwürfig seinen Hals darbot.
»Diesmal solltest du dich besser benehmen, sonst ziehe ich dir die Haut ab, das schwöre ich«, drohte der Vampir.
Jorgen schloss die Augen, und Dren biss zu. Angewidert wandte Hector sich ab, doch das schlürfende Geräusch, mit dem Dren am Hals des Spürhundes saugte, ließ sich nicht ausblenden. Irgendwann glaubte ich, dieser Klang allein würde dafür sorgen, dass mir alles hochkam, doch da beendete Dren sein Mahl und stand unsicher auf. Hector und ich brachten hastig noch mehr Abstand zwischen ihn und uns. »Unglaublich, dass du …«
»Ich bin ein Vampir. Mit ausreichend Nahrung heile ich sehr schnell. Selbst wenn das Blut so widerwärtig ist wie das eines Spürhundes.« Er war immer noch völlig ausgezehrt, aber wenigstens waren seine Knochen nachgewachsen. Ein rotes Rinnsal lief über sein Kinn. »Deswegen haben sie ja den Zombie eingesetzt, an dem konnte ich mich nicht nähren.« Jorgen sprang auf, und Dren lehnte sich gegen ihn.
»Wo willst du jetzt hin, Dren?«
»Weg von dir, ich muss dich doch ächten«, erklärte er lachend. »Und heilen und schlafen. Danach werde ich für immer von hier verschwinden.«
»Diese Leute verfügen über sehr mächtige Magie, Dren, das hast du am eigenen Leib erfahren.« Ich machte einen Schritt auf ihn zu und hob bittend die Hände.
»Versuch bloß nicht, an den Altruisten in mir zu appellieren – den gibt es nämlich nicht.« Er schlang Jorgen einen Arm um den Hals und schlenderte davon.
»Heute niemanden mehr umbringen, Dren!«, rief ich ihm mahnend hinterher.
Er drehte sich noch einmal um und grinste verschlagen. »Du bist nicht mein Boss!« Dazu winkte er schwach mit dem fast verheilten Arm.
Verdammt. Ich wollte immer noch, dass er mir half. Hätte ich ihm doch nur ein genauer formuliertes Versprechen abgerungen; und wäre er doch nicht so ein Mistkerl. Alles in mir sträubte sich dagegen, einzugestehen, dass er vielleicht recht haben könnte. Eventuell hatte er meiner Mutter am meisten geholfen, indem er mir meinen Wunsch abschlug. Aber ich wollte einfach nicht, dass alles umsonst gewesen war. Ich wäre fast getötet worden und hatte eine Unschuldige im Stich gelassen, aber meine Mom war noch immer nicht gerettet. Am liebsten wäre ich Dren hinterhergelaufen und hätte ihn so lange angeschrien, bis er seine Einstellung änderte. Aber das konnte ich nicht, denn er war bereits auf der Flucht. Nicht vor mir, sondern weil er – der furchtlose und manchmal regelrecht psychotische Vampir – eine Heidenangst hatte.
Ich beobachtete, wie er von den Schatten jenseits der Straße verschluckt wurde.
Kapitel 31
»Hoffentlich auf Nimmerwiedersehen.« Hector warf das Montiereisen zurück in den Kofferraum und schlug die Klappe zu.
»Wie spät ist es? Wir müssen noch zu Luz, um ihr zu berichten, was passiert ist.« Meinem Gefühl nach war es erst drei oder vier Uhr morgens. Mehr als genug Zeit für Luz, um da reinzugehen und Adriana zu retten.
»Du darfst es ihr nicht sagen, Edie – damit würdest du einen Krieg auslösen.«
Abrupt blieb ich stehen und starrte ihn an. »Luz würde gar nichts auslösen, sie würde das alles beenden. Du warst nicht da, du hast es nicht gesehen.«
»Unschuldige Menschen müssten sterben, Edie …«
Ich zeigte in die Richtung, aus der wir gekommen waren. »In diesem Haus sitzt ein unschuldiger Mensch, der bereits fast verhungert ist und Knochenbilder auf die Haut tätowiert bekommt. Mir ist egal, ob irgendwelche anderen Leute sterben, solange sie dadurch befreit wird.«
»Nein«, sagte Hector entschieden.
»Warum schützt du die? Ich dachte, du hasst Montalvo!«
»Du verstehst das nicht …«
»Weil du es mir ja nicht erklärst!«, brüllte ich. Nach allem,
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