Diagnose zur Daemmerung
auf einmal gesehen. In meinem Magen bildete sich ein eisiger Klumpen. Dann wurde ein Befehl erteilt, und die Männer ließen die Pistolen sinken und traten beiseite.
»Was ist hier los?« Diese Stimme kannte ich, ich hatte sie in der Klinik schon einmal gehört – Montalvo. Irgendwie war der noch gruseliger als das tödliche Arsenal.
»Ich rette meinen Freund.« Wozu lügen?
Montalvo lächelte. »Er hätte uns jederzeit verlassen können. Dazu hätte er einfach nur zur Tür rausspazieren müssen.« Einige seiner Schergen lachten, während Montalvo fortfuhr: »Genau vor diesen Ungetümen schützen wir uns, vor Monstern wie ihm und der Reina. Er hat nur bekommen, was er verdient hat.«
Vor dem heutigen Abend und unter etwas anderen Umständen hätte ich ihm da aus vollem Herzen zugestimmt. Aber nach allem, was ich gerade gesehen hatte? Nein. Der Knochenraum hatte jede Skala gesprengt.
»Und was ist mit ihr?« Ich zeigte zum ersten Stock hinauf, wo die Kammer des Schreckens lag. Dren hatte sich bereits wieder in Bewegung gesetzt. Hinter mir hörte ich das schabende Geräusch seines kriechenden Körpers.
»Sie gehört zu la reina , so wie Sie offensichtlich auch. Weshalb Sie so einiges verlieren werden.« Montalvo trat dicht vor mich. »Zunächst Ihre Knochen, dann Ihr Leben.« Er hob die Hand, und sofort ließen einige seiner Männer die Pistolen verschwinden und zogen stattdessen ihre Messer. Irgendwie sahen diese Klingen noch übler aus. Ich wich einen Schritt zurück.
Plötzlich wurde ich in grelles Scheinwerferlicht getaucht, und hinter mir quietschten Bremsen. Einige der Gangmitglieder hoben geblendet die Hände, und ich hörte jemanden schreien: »Steig ein!«
Als ich herumwirbelte, sah ich Hector, der in dem Wagen saß und mir hektisch winkte.
»Jorgen!«, brüllte ich dem Spürhund zu. Der stürzte sich auf die versammelte Meute, kratzte, biss und stieß die Männer beiseite.
Ich rannte, bis ich auf gleicher Höhe mit Dren war, und zerrte ihn auf die Rückbank des wartenden Autos, während hinter uns die Schüsse knallten. Mit einem Satz war ich im Wagen und landete fast auf Dren, während ich gleichzeitig die Tür zuzog.
»Los, los, los!« Ich drehte mich um und sah, wie Jorgen davonrannte.
Hector setzte rückwärts aus der Gasse, dann rasten wir die Straßen hinunter.
»Woher hast du gewusst, dass wir in Schwierigkeiten stecken?«, fragte ich sein Gesicht im Innenspiegel.
»Sobald Catrina zu Hause war, hat sie mich angerufen und mir gesagt, wohin ihr gegangen seid.« Hector drehte sich um und warf einen Blick auf Dren. »Wo sollen wir ihn hinbringen?«
Augenblicklich nutzte der Vampir seine Chance: Er warf sich nach vorne, schlang den gesunden Arm um Hectors Hals und zog ihn gegen die Kopfstütze.
»Nein, Dren!« Ich zerrte an seinem schlaffen Arm ohne etwas zu bewirken; sein gesundes Gegenstück war zu stark. Schließlich packte ich Drens Kopf und riss ihn an Ohren und Haaren nach hinten.
»Ich brauche Blut, um mich zu heilen …«, erklärte Dren. Offenbar war ihm vollkommen egal, wo es herkam.
»Hector muss fahren! Lass ihn los!« Der Wagen schlingerte über die leere Straße, während Hector einhändig lenkte und dabei nach dem Handschuhfach griff. Zielsicher drückte er auf den Hebel, und der Deckel sprang auf. Ohne zu zögern holte Hector einen Gegenstand heraus und zog ihn dem Vampir über den Schädel. Der zischte wie eine wütende Klapperschlange, zog sich zurück und sackte hinter dem Fahrersitz in sich zusammen.
Hector hielt seine Waffe hoch, sodass ich sie im Innenspiegel sehen konnte – die gute, alte Bibel. »Ich bin katholisch erzogen worden, Arschloch. Bleib gefälligst auf der Rückbank.«
Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Ich hatte es geschafft. Ja, ich hatte Hilfe gebraucht, aber es ging allen gut, niemand war verletzt worden. Meine Mom würde wieder gesund werden. Hector hätte es wahrscheinlich so ausgedrückt: Ich hatte ihr den Arsch gerettet. Als die Straßen vor dem Fenster wieder hübscher wurden und wir das Revier der Drei Kreuze hinter uns gelassen hatten, begann ich zu grinsen.
»Warum bist du so erfreut?«, fragte Dren von der Seite.
»Nur so.« Ich atmete tief durch. »Einfach nur so.«
Kapitel 30
Hector brachte uns an einen hell erleuchteten Ort – auf den Parkplatz einer katholischen Kirche. Sobald der Wagen stand, stieg er aus und knallte die Tür hinter sich zu.
Ich sprang ebenfalls raus, ließ meine Tür aber offen.
»Wir werden dieses
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