Diamantenraub
Sie zog einen großen blauen Holzschlitten, der über und über mit Glocken behängt war. Auf dem Kutscherbock saß Tom, dick eingemummelt in Mantel und Decken.
»Angie, Diane!«, rief er erleichtert, »ich hatte schon befürchtet, ihr würdet nicht mehr da sein!«
»Wo sollten wir schon hingegangen sein«, sagte Angie schnippisch, doch dann fiel sie Tom um den Hals. »Es ist so schön, dich wiederzusehen!«
»Thora wollte sich einfach nicht einspannen lassen«, erklärte Tom, als sie alle auf dem Schlitten saßen, »ihr wisst ja, sie ist wirklich gutmütig, aber wenn sie etwas nicht will, kann sie verdammt stur sein.«
Die Schwestern lachten. Wie oft hatte sich die arme, unsportliche Kathrin, eine ihrer Reitkameradinnen, in der Reitstunde abgemüht, begleitet von dem unerbittlichen Schimpfen der Lehrerin. Insgeheim hatten alle eine leichte Schadenfreude empfunden, denn Kathrin war immer etwas zu selbstbewusst gewesen.
In dem Moment machte der Weg eine Biegung, und die Kinder starrten atemlos auf das Meer, das am Horizont auftauchte. Die Wolken waren auseinandergetrieben. Schreiende Möwen kreisten über den grauen Wellen und die Abendsonne tauchte die Winterlandschaft in ein letztes eisiges Licht. Vor ihnen erhob sich ein altes graues Gemäuer. Die Fensterscheiben waren eingeschlagen, eine Tür pendelte im Wind.
»Der Krähenhof«, sagte Diane leise schaudernd, »wisst ihr noch, wie der alte Mommsen hier sein Unwesen trieb?«
»Bis wir ihm auf die Schliche kamen«, erwiderte ihre Schwester und warf die langen blonden Haare zurück, »also, ich würde gern wieder ein Abenteuer erleben. Mein Gott, da vorne ist ja schon die Eulenburg!«
Und wirklich - auf einer breiten Landzunge, die ins Meer hinausragte, sahen sie jetzt den großen roten Backsteinbau mit den vielen Fenstern und dem großen grünen Tor.
»Hallo, Angie, hallo, Diane!« Ein kleines Mädchen mit vielen lustigen Sommersprossen rannte eilig dem Schlitten entgegen.
»Tina!«, riefen die Schwestern, »wie geht es dir? Toll, dass du wieder da bist! Und da sind ja auch Steffi und Beate und Elke!«
Im Nu waren die Mädchen von ihren Freundinnen umringt.
»Jetzt kommt aber erst mal rein ins Warme!« Frau Andresen war in der Tür erschienen und hatte zufrieden die glücklichen Ankömmlinge beobachtet. »Tom, du versorgst Thora, und ihr anderen könnt es euch schon mal bei einer Tasse Kakao gemütlich machen!«
Die Freunde ergriffen ihre Koffer und Taschen und stürmten ins Haus. Endlich waren sie wieder in der Eulenburg.
Wenig später saßen alle Gäste im Speisesaal und tranken heiße Schokolade. Im Kamin prasselte ein gemütliches Feuer, und ab und zu sank ein brennendes Holzscheit leise knackend unter den Flammen in sich zusammen.
»Hört bitte alle Mal einen Moment her«, sagte Frau Andresen und erhob sich von ihrem Stuhl, »mein Mann und ich möchten euch herzlich in der Eulenburg willkommen heißen. Die meisten von euch waren ja schon in den Sommerferien bei uns und kennen daher die Hausordnung: Ihr wohnt in Dreier-Zimmern, die Jungen im zweiten Stock, die Mädchen im ersten. Das bedeutet: Ab zehn Uhr abends hat keiner mehr etwas auf dem anderen Stockwerk zu suchen. Zu allzu langen Nächten oder den beliebten Mitternachtspartys möchte ich euch sowieso nicht raten: Die Frühschicht im Stall beginnt zwar jetzt im Winter nicht um halb sechs, sondern erst um halb sieben, aber das ist auch noch ziemlich früh. Und Frau Moos kennt keine Gnade für Spätaufsteher. Ach ja, Frau Moos ist eure Reitlehrerin. Den theoretischen Unterricht hält Frau Jung. Ihr kennt sie noch vom letzten Mal. So, und nun geht auf eure Zimmer und packt eure Sachen aus. Ich wünsche euch eine wunderschöne und erholsame Zeit in der Eulenburg.«
Die Kinder erhoben sich.
»Angie, Diane, wartet noch einen Moment. Ich habe beschlossen, dass Kathrin Roland wieder bei euch im Zimmer wohnt. Sie ist etwas schwierig, aber ich weiß, dass ihr ganz gut mit ihr auskommt. Ganz besonders du, Diane. Bitte kümmere dich ein wenig um sie. Kathrin hat zu Hause unter den Problemen ihrer Eltern zu leiden. Die Abwechslung hier wird ihr gut tun.«
Diane wurde ein bisschen rot vor Stolz. »Ich werde versuchen, Kathrin zu helfen«, sagte sie eifrig.
Frau Andresen lächelte. Sie mochte die schüchterne Diane und die temperamentvolle Angie sehr gerne.
Das Zimmer ähnelte dem aus dem Sommer, einfach und gemütlich.
»Sieh nur«, rief Diane begeistert, »wir haben einen herrlichen Blick aufs
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