Diamantenschmaus
Palinski wieder auf dem Weg zurück in
sein Büro. Nachdem er Heidenreich versprochen hatte, am späteren Nachmittag
wegen des Protokolls im Kommissariat vorbeizukommen, war ihm sein maroder PC
wieder siedend heiß in den Sinn gekommen. Und dass sich zwei neu zugezogene
barmherzige Samariter um den offensichtlichen Totalschaden kümmerten. Obwohl,
Jan hatte vorhin etwas von einem gebrauchten, aber neuwertigen Tower gesagt,
den er beschaffen konnte. Wer weiß, vielleicht bekam der junge Mann das
Graffelwerk [3] bis morgen doch wieder zum Laufen. Zumindest erst mal ohne Internet, obwohl
Palinski dieses ebenso dringend benötigte. Allerdings konnte sich darum wieder
Florian kümmern, der kannte sich in diesen Dingen ebenfalls sehr gut aus.
Sein zwischen Bangen und Hoffen schwankender Gemütszustand
pendelte sich rasch bei deutlichem Wohlbehagen ein, als er Maja und Jan in
voller Aktion an seinem offenbar wieder völlig genesenen PC agieren sah.
Mit der höflichen Erkundigung »Darf ich schnell einen Blick
auf meinen E-Mail-Account werfen« lieferte ihm die junge Frau dazu passend
gleich die Antwort auf die letzte noch offene Frage.
Es war fantastisch. Die trüben, durch den dahingegangenen
Computer verursachten Gedanken verflüchtigten sich schlagartig und ein
behagliches Gefühl der Zufriedenheit überkam ihn.
Was für ein Tag, dachte Palinski. Die Familie war gesund, der
Computer ging wieder und die Sonne schien. Tja, und der Mord, in den er
hineingestolpert war, war auch nicht von schlechten Eltern.
»Kinder, wisst ihr was«, meinte er gönnerhaft zu seinen neuen
Nachbarn. »Was haltet ihr davon, wenn ich euch jetzt ins Mamma Maria zur besten
Lasagne verde nördlich der Alpen einlade?«
*
Bereits kurz nach 14 Uhr waren die ersten
Trauergäste zur feierlichen Verabschiedung Konstantin Boreskovs erschienen, dem
weltberühmten bulgarischen Tenor mit österreichischem Pass. Der erst vor einem
halben Jahr zum Kammersänger ernannte ›beste Rudolf, den Wien in den letzten
Jahren gesehen hatte‹, wie einer der bekanntesten Kulturkritiker kürzlich noch
geschwärmt hatte, war mit erst 49 Jahren nach einem schweren Autounfall viel zu
früh von der Bühne des Lebens abgetreten.
Der Tod des nicht nur in Wien, sondern darüber hinaus in
Mailand, New York, London, Sydney, St. Petersburg, Paris und Berlin, Salzburg
und Glyndebourne umjubelten Stars, um nur die wichtigsten Wirkungsstätten zu
nennen, war mindestens ebenso mysteriös und geheimnisumwoben, wie es sein Leben
über weite Strecken gewesen war.
Kammersänger Boreskov war an jenem Morgen im
Februar nach der umjubelten Neuaufnahme der Carmen an der Münchner Oper gegen
10 Uhr in seinen Porsche gestiegen und Richtung Salzburg losgefahren. In der
Nähe von Felden hatte der an sich äußerst routinierte Fahrer aus nach wie vor
ungeklärten Gründen die Herrschaft über sein Geschoss auf Rädern verloren.
Nachdem sich der Wagen mehrmals überschlagen hatte und dabei auf die
Gegenfahrbahn geschleudert worden war, wurde das Wrack von einem
entgegenkommenden Laster erfasst und mehrere Meter mitgeschleift. Boreskov,
entgegen seiner sonstigen Gewohnheit nicht angeschnallt, war zu diesem
Zeitpunkt mit Sicherheit schon tot gewesen. Genickbruch und damit – rien
ne va plus.
Gerüchteweise wurde nicht ausgeschlossen, dass der Mann,
selbst Kontaktlinsenträger, irrtümlich die – etwas schwächeren –
Sehbehelfe seiner Frau Natascha erwischt und anschließend aus Nachlässigkeit
nicht mehr ausgetauscht hatte.
Boreskov, der im Leben ein sehr extravaganter, auf
Exklusivität bedachter Mensch gewesen war, hätte seine Freude an der heutigen
Inszenierung gehabt. Immerhin war es die erste Beerdigung seit 71 Jahren, die
auf diesem Friedhof an einem Sonntag stattfinden durfte, und die erste
innerhalb der letzten 62 Jahre auf einem Wiener Friedhof überhaupt.
Sonntags wurde zwar auch gestorben, jedoch in der Regel nicht
beerdigt. Die äußerst seltenen Ausnahmen waren, wie meistens im Leben, den
ehemals Reichen und Schönen vorbehalten.
Und deshalb waren kurz vor 15 Uhr, dem Beginn der offiziellen
Trauerfeierlichkeiten, bereits mehr als 500 Personen des öffentlichen
Lebens, aus Politik, Kultur und Wirtschaft sowie der Wiener Operngemeinde
erschienen. Allen voran der Bürgermeister und einer seiner auch heute noch
omnipräsenten Vorgänger, der regierende und vier ehemalige Operndirektoren
sowie einige Regierungsmitglieder. Dazu zahllose Vertreter der
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