Diana - sTdH 5
Pelerine, die sie darüber trug, hatte die gleiche Burgunderfarbe
wie ihr Hut.
Die
geschickte Farbwahl unterstrich den sanften Honigton ihres Teints. Wenn sie so
gelassen dastand, ihre kräftigen gebräunten Hände in Glacéhandschuhe steckten
und ihr großer, ausdrucksvoller Mund träumerisch weich erschien, wenn ihre
großen Augen verschleiert waren und doch strahlten wie Wolkenfetzen, die über
den sternbedeckten Nachthimmel huschten, dann hatte sie etwas an sich, das die
Schönheit ihrer älteren Schwestern sogar noch übertraf.
Im nächsten
Moment war der Bann gebrochen. Diana wurde sich bewußt, daß ihr Vater sie
beobachtete, und sagte barsch: »Wollen wir gehen, Papa? Sobald wir diesen
Besuch hinter uns haben, ziehe ich mich wieder anständig an.«
»Du meinst,
unanständig«, bemerkte der Pfarrer schlechtgelaunt. »Du kannst nicht
behaupten, daß deine Kleidung nicht bequem ist.«
»Im Haus
vor dem Feuer ist sie passend, Papa. Aber draußen werde ich wahrscheinlich
entsetzlich frieren. Nimmst du deinen Rennwagen?«
»Natürlich.«
»Dann kann
ich nur hoffen, daß die Chumleys den Anblick von blaugefrorenen Damen mögen.
Oh, muß ich denn wirklich mit, Papa? Ich bin davon überzeugt, daß sie mich
nicht mögen.«
»Wenn das
so ist, dann wirst du dafür sorgen, daß sie ihre Meinung ändern«, knurrte der
Pfarrer. »Sobald du in einem Salon bist, scheinst du deine Freude daran zu
haben, dich so ungeschliffen wie nur möglich zu benehmen. Komm jetzt.«
Diana
folgte ihrem Vater aus dem Pfarrhaus. Sie fragte sich, ob er sie verstehen
würde, wenn sie ihm den wahren Grund für ihr linkisches Benehmen in
Gesellschaft sagen würde.
Der wahre
Grund war, daß Diana Armitage überall, außer auf der Jagd, schwer unter ihrer
Schüchternheit litt. Sie fürchtete Männer, sie bewunderte sie, sie sehnte sich
danach, einer zu sein. Sich in der Gesellschaft bewegen, war eine milde Form
von Gefangenschaft. Es gab keine Redefreiheit. Man hatte für alles, was
geschah, dankbar zu sein, egal ob es einem Freude oder Schmerz bereitete. Sie
wickelte sich fest in die Decken, als sie die Straße nach Hopeminster
einschlugen.
Der Pfarrer
zügelte sein Gespann, als sie Seite an Seite mit der kleinen Gestalt von Squire
Radford kamen, der auf der Straße entlang dem Dorfteich ging. Der Squire winkte
mit dem Arm, damit der Pfarrer anhielt.
Squire
Radford zog seinen altmodischen Dreispitz und machte eine tiefe Verbeugung.
»Sie sehen
blendend aus, Miß Diana«, sagte er. »Fahrt ihr zu den Chumleys, Charles?«
»Ja, Jimmy.
Diana braucht ein bißchen Gesellschaft.«
»Ich habe
dich angehalten«, sagte der Squire mit seiner hohen, klaren Stimme, »weil ich
morgen gerne mit dir auf die Jagd gehen möchte.«
»Das würde
ich an deiner Stelle bleiben lassen, Jimmy«, wandte der Pfarrer bei dem
Gedanken an Dianas Verkleidung schnell ein. »Es soll ungewöhnlich kalt werden.
Schlechtes Wetter für alte Knochen.«
»Immer
Sitzen ist auch nicht gesund«, lächelte der Squire. »Erwarte mich morgen früh,
Charles.« Er verbeugte sich noch einmal. Der Pfarrer lockerte ungeduldig die
Zügel.
»Nun, da
haben wir's«, sagte er zu Diana, als sie Hopeworth hinter sich gelassen
hatten. »Du kannst morgen nicht mitreiten, Diana. Nicht, wenn Jimmy Radfords
scharfe alte Augen dich beobachten.«
Tränen der
Enttäuschung verschleierten Dianas dunkle Augen. Aber anders als ihre
Schwestern, machte sie sich gar nicht erst die Mühe, mit ihrem Vater zu
streiten. Die Antwort war »Nein«, egal was sie sagte. Irgendwie würde es ihr
aber doch gelingen, an der Jagd teilzunehmen.
Obwohl ihr
insgeheim ihr neues modisches Aussehen gefiel und sie sich vorgenommen hatte,
bei den Chumleys so weiblich wie nur möglich aufzutreten, um ihren Vater zu
erfreuen, beschloß sie jetzt, sich so schlecht wie möglich zu benehmen.
Wenn die
Leute einen nicht mochten, dann ließen sie einen wenigstens in Frieden. Und
wenn dieser Frieden auch ein ziemlich bedauernswerter Zustand war, so erlaubte
er einem doch, in Ruhe von der Jagd des folgenden Tages zu träumen. Diana hatte
kein Interesse am Töten, es war der schnelle, harte, oft gefährliche Sport, für
den sie sich begeisterte.
An ihren
ersten Ausritt erinnerte sie sich noch immer so lebhaft wie andere, gesittetere
junge Damen sich an ihre erste Liebe erinnern. Sie hatte eines der Jagdpferde
ihres Vaters aus dem Stall genommen und war davongeritten. Sie war über
Steinmauern gesprungen, über kleine Bäche,
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