Diana - sTdH 5
über flache Felder galoppiert. Ihre
Haare flogen im Wind, und sie war wie trunken von einem Gefühl der Freiheit.
Sie kehrte erst nach Hause zurück, als die Dämmerung hereinbrach, am ganzen
Körper zitternd und eine Woche lang unfähig, auch nur ein Glied zu rühren. Aber
sie bedauerte niemals auch nur eine einzige Sekunde.
Als sie zur
Kreuzung kamen, schloß Diana die Augen, bis sie sie hinter sich gebracht
hatten. Denn an den Kreuzun gen wurden die Selbstmörder begraben, und die
abergläubische Diana war überzeugt, daß ihr Geist auch am Tage umging. Als sie
ihre Augen wieder öffnete, durchbrach die Sonne gerade eine drohende schwarze
Wolkenwand. Dabei fielen breite, gelbe Lichtstrahlen schräg auf die Erde, genau
wie auf den Bildern in der Bibel, auf denen die Engel auf und ab schwebten.
Der Pfarrer
murmelte etwas Unverständliches und brachte den Wagen zum Stehen. Am
Straßenrand weideten zwei oder drei magere Ponys. Nicht weit davon entfernt war
zwischen ein paar Bäumen ein schäbiges Zelt zu erkennen, aus dem dünner Rauch
aufstieg. Daneben stand ein Karren.
»Zigeuner«,
brummte der Pfarrer. »Denen muß ich das Handwerk legen. He! Du!« schrie er,
kletterte vom Wagen herab und ging auf das Zelt zu.
Eine Frau
tauchte auf. Ihr ungepflegtes Haar hing ihr bis zur Taille. Sie trug ein tief
ausgeschnittenes Leibchen und ein schmutziges Unterkleid. Ihre Haut war dunkel.
»Wo ist
dein Mann?« wollte der Pfarrer wissen.
»Oh, lieber
Jesus, Euer Ehren«, stammelte die Zigeunerfrau mit einem seltsamen ruckartigen
Knicks. »Weg, ich weiß nicht, wohin.«
»Und du
würdest es auch nicht sagen, was?« schnaubte der Pfarrer. »Beim Hühnerstehlen,
was? Sag ihm, daß Charles Armitage befiehlt, daß ihr bis Sonnenuntergang hier
weg seid.«
Die Augen
der Frau blitzten, und sie begann etwas in einer fremden Sprache zu murmeln.
Der Pfarrer ging langsam zur Kutsche zurück und stieg auf. Er kümmerte sich
nicht um den Wortschwall, der ihm in unverständlichem Romani folgte.
Diana sah
entsetzt zu. Sie hatte von Zigeunern gehört, aber nie zuvor welche in der Nähe
von Hopeworth gesehen. Sicherlich
war diese furchterregend aussehende Frau eine Hexe.
Als der
Pfarrer die Zügel wieder aufnahm, kam die Zigeunerin herbeigerannt und legte
eine schmutzige Hand an den Wagen.
»Du läßt
uns bleiben, und ich sage der jungen Dame die Zukunft voraus«, bettelte sie.
»Bleib
weg!« drohte der Pfarrer und hob die Peitsche.
Diana versuchte, ihre Augen von
der Zigeunerin abzuwenden, aber sie konnte es einfach nicht.
»Dein
Liebhaber wird nicht lange auf sich warten lassen, Fräuleinchen«, gackerte die
Frau. »Er ist groß und dunkel und jagt wie du den Fuchs.«
Der Pfarrer
hob die Peitsche drohender, und die Zigeunerin drehte sich um und floh.
»Der Teufel
soll sie holen«, schimpfte Hochwürden.
»Aber ich
habe gehört, Papa, daß sie die Zukunft voraussagen können«, sagte Diana.
»Keiner außer dir und John Summer weiß, daß ich auf die Fuchsjagd gehe. Wie
konnte sie es wissen?«
»Sie hat es
erraten«, schnaubte der Pfarrer. »Und was soll der Quatsch von dem großen,
schwarzen Liebhaber? Wahrscheinlich hat sie dabei an einen ihresgleichen
gedacht. Schwarz wie Pech sind sie, kein Wunder bei dem Rauch, der aus ihrem
Feuer steigt, und bei der Abneigung, sich zu waschen.«
Diana
fühlte sich plötzlich schwach vor Nervosität, und eine seltsame Erregung stieg
in ihr auf. Insgeheim glaubte sie jedes Wort, das die Zigeunerin gesagt hatte.
Sie hatte einen Horror vor dem Getue um die Saison in London, weil sie dort
einen Mann erobern mußte, was bedeutete, daß sie gezwungen war, ständig zu
lächeln, sich wie eine junge Dame zu benehmen und unbequeme Kleidung zu tragen.
Ein Mann würde nicht im Traum darauf verfallen, an einem solch eiskalten Tag
ein Musselingewand zu tragen. Aber was wäre, wenn es einen Gentleman gäbe, der
bereits auf sie wartete, einen, der die Jagd so liebte wie sie selbst, und den
es nicht abstieß, daß sie jagte?
Diana
verbrachte den Rest des Weges in glücklichen Tagträumen, und als sie bei den
Chumleys ankamen, war sie fest davon überzeugt, daß dort ein Jäger darauf
wartete, sich in sie zu verlieben.
Aber die
Chumleys hatten nur zwei weitere Gäste, und beide waren Damen, eine Mrs. Carter
mit ihrer Tochter Ann.
Die
Chumleys waren beide klein, rund und still. Mrs. Carter war geradezu
erschreckend mondän. Sie hatte eine dünne lange Nase und stechende Augen, die
ausdrücklich dazu
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