Dicke Hose (German Edition)
bekommen. Die Konkurrenz weiß leider auch, wo es gut ist.»
«Ach so.» Ben zeigt sich unbeeindruckt. Zum einen, weil er nicht Ski fahren kann, und zum anderen, weil ihm vermutlich nicht klar ist, wo St. Anton liegt und dass Insider den Ort englisch aussprechen. Stanton . «Also, mal ganz ehrlich», sein Blick wandert von mir zu Florian und wieder zurück, «ich würde lieber umdisponieren und in den Harz fahren, als mir irgendwo ein Zimmer mit einem von euch zu teilen.»
Florian stöhnt auf. «Mensch, Alter, vergiss mal den Harz, ja? Da ist das Skigebiet pupsklein, und um diese Jahreszeit liegt dort noch gar kein Schnee. Stanton dagegen ist Weltklasse. Dort fand sogar schon mal ’ne Weltmeisterschaft statt.»
Ben scheint immer noch nicht überzeugt. «Aha. Und wo genau liegt dieses Stanton ?»
Florian fehlen bei so viel alpiner Ignoranz die Worte, also versuche ich, die Situation aufzuklären. « Stanton », sage ich und imitiere Florians Tonfall, «sagen eigentlich nur Leute wie Flo.» Ich werfe meinem Kumpel einen spöttischen Seitenblick zu. «Aber eigentlich ist das ein Skiort in Österreich. Im Vorarlberg.»
«Aha.» Ben malt demonstrativ einen Strich auf Florians Bierdeckel, bevor er ihm ein weiteres Pils zapft. «Ehrlich, Jungs, mir ist es egal, wohin ihr eure Kohle tragt. Ich bin froh, dass ich nicht mitfahren muss. Aber wenn es sich machen lässt», er sieht mit glänzenden Augen hoch, «dann bringt mir doch einen frischgebackenen Kaiserschmarrn mit!»
Flo und ich müssen lachen. Das ist Ben, wie wir ihn kennen. Für ihn ist die Welt in Ordnung, solange er zweimal am Tag eine warme Mahlzeit vorgesetzt bekommt. Das Leben kann so herrlich unkompliziert sein.
In der folgenden Stunde führen wir tiefschürfende Männergespräche. Über Sinn und Unsinn der Sommerzeit, die letzte EM und den FC Barcelona. Gerade als ich auf die Uhr sehe und erschrocken feststelle, dass morgen ja noch ein Arbeitstag ist, bekommt Florian Besuch. Eine schlanke Brünette mit schwarzen Augen und Sekretärinnenbrille baut sich vor uns auf. Sie trägt einen Nadelstreifenanzug, der über der Brust etwas spannt, hochhackige Schuhe und klimpernden Armschmuck. Alles in allem sieht sie aus, als käme sie direkt aus dem Büro. Oder vom Fasching.
Florian ist sichtlich erfreut. «Jungs, darf ich euch Natasha vorstellen?», sagt er mit unüberhörbarem Besitzerstolz. «Natasha, das sind Ben und Alex, meine zwei besten Kumpels.»
«Hi», sagen Ben und ich synchron und lächeln die Sekretärin freundlich an.
Ich bemühe mich außerdem, das Bild von mir etwas zu verfeinern. «Ich bin Alex. Makler bei Hambitare.»
Natasha ergreift meine ausgestreckte Hand. «Echt jetzt, du bist Makler?», fragt sie, und der Klang ihrer Stimme erinnert mich an mein ungeöltes Küchenfenster. «Cool.»
Hilfe! Noch ein Wort in dieser Frequenz, und ich bekomme einen Tinnitus. Auch wenn ein bisschen Bewunderung natürlich ganz guttut, nach allem, was ich mir hier heute Abend schon anhören musste.
«Hast du auch ein so schickes Loft wie Florian?» Natasha streckt mir ruckartig ihre Brust entgegen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird mir in spätestens fünf Sekunden der oberste Knopf ihres Blazers ins Auge springen.
«Also, ich finde ja», fährt sie mit quietschender Stimme fort, «ein Mann muss eine geile, große Wohnung haben. Daran lässt sich einiges ablesen. Ob er Geschmack hat, zum Beispiel. Und wie souverän er sich in seinen eigenen vier Wänden bewegt. Nicht jeder kann einen großen Raum mit seiner Persönlichkeit ausfüllen.»
Während sie die letzten Worte herauspresst, stellt sie ihre überdimensionierte Handtasche auf den Tresen.
Instinktiv weiche ich zurück. Da ist er, der letzte Beweis: Sie ist eine Diva! Die Handtasche hat sie enttarnt. Zum Glück gibt es einen Divendresscode, der es uns Männern sehr leicht und sehr schnell ermöglicht, eine schmarotzerhafte Tussi zu entlarven, ehe sie größeren Schaden anrichten kann.
Merke: Eine Diva ist immer aufgebrezelt. Aufbrezelungsindizien können sein:
Sonnenbrille im Winter
Moonboots im Sommer
Taschen im Tapeziertischformat
Fingernägel mit Glitzersteinen, farbigen Spitzen oder der amerikanischen Flagge drauf
Schmuck, den man hört, ehe man ihn sieht
Haare bis zum Arschgeweih
die Farbe Pink, egal ob an Haut, Haaren oder Klamotten
Parfüm, das nach orientalischem Hammel stinkt
Ob Florian weiß, worauf er sich einlässt? Aber vermutlich ist es meinem Kumpel herzlich egal, ob seine
Weitere Kostenlose Bücher