Dicke Hose (German Edition)
hören ist.
«Alessandro, mangare!», tönt es irgendwann mit tiefer Stimme durch die Klotür.
Danach höre ich Victoria: «Es gibt Essen, Alex!»
Ja doch. Traut die Frau mir denn gar kein Sprachgefühl zu? Aber immerhin hat sie mich direkt angesprochen. Und sie hat Alex gesagt. Das ist ja schon mal ein Fortschritt.
Ich schlendere zur Küche, in der ein kleines, aber feines Buffet aufgebaut wurde. So wie die anderen lade auch ich mir einen Teller mit Antipasti voll und quetsche mich im Anschluss an den kleinen Glastisch in der Sofaecke. Victoria sitzt mir gegenüber. Mein Versuch, Blickkontakt mit ihr aufzunehmen, scheitert. Viel zu beschäftigt ist sie damit, ihrem Chef bis ins Detail zu erklären, welche Vorbereitungen nach dem Essen noch für das Event getroffen werden müssen. Ich lasse mich von dem Gespräch einlullen, kaue nebenbei Nudeln und bemerke erst, dass mein Handy klingelt, als mich alle fragend ansehen.
Es ist Florian. Ich fluche innerlich. Einen blöderen Moment hätte er sich nun wirklich nicht aussuchen können. Den ganzen Tag über habe ich es immer mal wieder bei ihm versucht. So wütend wie ich mittlerweile auf ihn bin, würde ich dieses Gespräch gerne ohne Zuhörer führen. Wer weiß schon, wie sein Vater reagiert, wenn ich seinen Sohn vor versammelter Mannschaft anbrülle? Also drücke ich das Gespräch weg. Nach seinem zweiten Versuch habe ich die Nase voll und schalte das Handy kurzerhand aus. Ein Fehler, wie sich herausstellt, denn gleich darauf klingelt bei Miucci das Festnetz.
«Wenn das mal nicht für dich ist», sagt Victoria und unterbricht das spannende Gespräch mit ihrem Chef, um mir beim Rotwerden zuzusehen.
Signor Micolucci ist leider auch keine große Hilfe. «Ja, ein sehr gefragter Mann, mein Sohn.» Er lacht ein bisschen. «Geh ruhig ran, Alessandro, wir essen dir schon nichts weg.»
Witzig. Drei Augenpaare starren mich erwartungsvoll an. Wie es aussieht, habe ich keine Wahl.
«Miucci am Neuen Wall, Sie sprechen mit Alexander Held, was kann ich für Sie tun?», melde ich mich in offiziellem Tonfall.
Am anderen Ende wird gelacht. «Das hast du aber schön gesagt, Alex.» Florian feixt. «Ich hab gesehen, dass du versucht hast, mich zu erreichen. Falls es wegen der Fotos im Internet ist: Ich kann Entwarnung geben. Mein Vater scheint die Ausrede mit der Pressefalschmeldung geschluckt zu haben. Er hat zurzeit in Mailand zu tun und will sich mit derartigen Lappalien nicht aufhalten, wie er meinte. Du kannst also beruhigt weitermachen bei Miucci.»
Einen kurzen Moment verspüre ich tatsächlich so etwas wie Erleichterung. Die Worte Entwarnung und beruhigt weitermachen entfalten ganz automatisch eine entspannende Wirkung. Dann fällt mir wieder ein, was sich hier eigentlich wirklich gerade abspielt: Florians Vater ist nicht in Mailand. Und sein Kommentar bezüglich der Fotos hörte sich auch nicht so an, als glaube er an eine Pressefalschmeldung. Keine Ahnung, wie Florian die Sache für sich geregelt hat, aber seinen Vater hat er eher auf den Plan gerufen als beruhigt.
Unfassbar, aber Flo besitzt tatsächlich die Frechheit, seine Lügengeschichte immer weiterzuspinnen!
Einen kurzen Moment gerate ich in Versuchung, ihn doch vor allen Anwesenden anzubrüllen, aber dann käme mit Sicherheit die ganze Geschichte zur Sprache. Inklusive unseres Deals und der damit verbundenen Lügen. Das sollte Victoria nicht erfahren. Jedenfalls nicht auf diesem Weg. Also wähle ich einen anderen Weg. Einen viel besseren.
Mit dem Ausdruck tief empfundener Freude auf dem Gesicht strahle ich in die Runde meiner Zuhörer. «Florian! Wie schön, dass du anrufst! Wir haben uns schon Sorgen gemacht. Wo bleibst du denn?»
«Wie bitte? Ich verstehe nicht, was du meinst …»
«Kommst du nun zum Essen oder nicht?»
«Hä? Zu welchem Essen? Du weißt doch, dass ich in … äh … der Klinik bin.» Florian gerät ins Stottern.
«Ach, du schaffst es nicht? Na, das ist ja schade.» Ich verziehe bedauernd den Mund. «Dabei ist es hier gerade so gemütlich bei Miucci.»
«Was redest du denn da, Alex? Bist du schon wieder betrunken?»
Ich nicke vielsagend in die Runde. «Ach, lieb von dir, dass du fragst, Flo. Aber mach dir keine Sorgen, hier ist wirklich alles in allerbester Ordnung. Sogar Papa ist heile eingetroffen!»
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24. Kapitel
Eine Weile tut sich nichts am anderen Ende der Leitung, dann fragt Florian tonlos: «Was soll das heißen, Papa ist eingetroffen? Meinst du
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