Dicke Hose (German Edition)
meinen Vater?»
«Ganz genau! Er ist heute Nachmittag angekommen, toll nicht?» Ich höre nicht auf, in die Runde zu strahlen.
«Bei euch? Bei Miucci? In Hamburg?»
Ich koste den Überraschungseffekt noch ein bisschen aus. «Aber natürlich bei Miucci, du Dummerchen. Wir essen gerade alle zusammen leckere Antipasti. Von Enzo. Schaffst du es wirklich nicht, dazuzustoßen?»
Ich höre Florian nach Luft schnappen. «Jetzt lass doch den Quatsch, Alex. Das ist nicht witzig.»
Ich greife seine Vorlage auf. «Ja, witzig, nicht? Er stand auf einmal vor der Tür. Wir haben uns total gefreut. Allerdings war er sehr erstaunt, dass du nicht hier bist.» Ich zucke mit den Schultern. «Aber sicher wird es ihn freuen, dass du morgen bei dem Event dabei bist.»
Langsam scheint die schlechte Nachricht zu Florian durchzudringen. «Du meinst das ernst, oder? Die sitzen da jetzt alle und hören zu, oder? Auch mein Vater.»
Mir wird das jetzt zu blöd. Ich steigere mich daher zum Finale. «Super!», rufe ich mit geradezu hymnischer Begeisterung. «Dann bis morgen früh um neun! Was wäre schon so ein Event ohne den … Geschäftsführer, nicht wahr?» Dann lege ich auf.
Auf den Gesichtern meiner Zuhörer spiegeln sich die unterschiedlichsten Emotionen wider. Während Kai wenig begeistert seine Gabel auf den Teller sinken lässt, starrt Victoria mich mit aufgerissenen Augen an. Einzig Signor Micolucci lehnt mit tiefenentspanntem Gesichtsausdruck in seinem Polstersessel und schiebt sich eine ganze Bruschetta in den Mund. Als er sie so weit zermalmt hat, dass er ohne Spucken Worte formulieren kann, sagt er: «Belliiissimo! Dann ist ja alles geregelt.»
Ob er damit nun mein oder Florians Schicksal meint – und was das wiederum für Konsequenzen für den Auserwählten mit sich bringt –, lässt sich an seiner Miene leider nicht ablesen.
Einen Moment kauen alle schweigend auf Enzos Köstlichkeiten herum, dann blickt Victoria auf die Uhr. «In einer halben Stunde kommen schon die italienischen Werksleute, außerdem Herr Lembke, der den Fußboden ausbessert. Wir sollten zusehen, dass dann der Verkaufsraum leer ist und unten so weit alles vorbereitet ist.»
Ich stehe auf, um ihr zu helfen, die Teller zusammenzustellen und die leeren Gläser wieder in die Küche zu bringen. Victoria und Ernesto Micolucci bereiten anschließend alles für die Italiener vor. Ich drehe eine kurze Runde durch alle Verkaufsräume und fotografiere mit meinem Handy die Regale samt Inhalt, ehe ich mit Kai beginne, sie auszuräumen. Als alles in Kartons verstaut ist, bauen wir den Raumteiler und zwei weitere Regale auseinander, die sonst nicht über die Kellertreppe passen würden.
«Ich hätte ja nicht gedacht, dass du mit einem Akkuschrauber umgehen kannst», sagt Kai, als wir im Keller versuchen, das Ungetüm wieder zusammenzusetzen.
«Und ich hätte nicht gedacht, dass du das Teil mit deinen Ärmchen tragen kannst.»
Wir grinsen uns an.
Eine halbe Stunde später sind der Großteil der Regale und ein paar Kleiderstangen im Keller aufgebaut. Kai schafft die Kartons mit den ausgeräumten Klamotten und Wäscheteilen heran, und ich befülle die Fächer dank meiner Fotos haargenau so, wie es vorher oben im Verkaufsraum der Fall war.
Als wir mit unserer Arbeit fertig sind und die Kellertreppe hochsteigen, hört man oben lautes Stimmengewirr. Die Handwerker aus Italien unterhalten sich freudig mit Victoria und dem Chef. Bruno Lembke steht mitten in der Menge und gibt radebrechend ein paar italienische Vokabeln zum Besten. Die Stimmung ist erstaunlich gelöst, sogar Victoria, die bis eben noch angespannt und verkrampft wirkte, scheint langsam zur Ruhe zu kommen.
Aber obwohl alle mit anpacken – selbst Signor Micolucci hat sich von Sakko und Krawatte befreit und mit hochgekrempelten Ärmeln Hand angelegt –, dauert es fast bis Mitternacht, ehe der Laden so aussieht, wie Victorias Planung es vorgesehen hat. Während sich Kai trotz seiner zarten Spinnenfinger als wahres Handwerkstalent entpuppt und Kabel für die Werkstische hinter der Wandverkleidung verschwinden lässt, schleppe ich aus meinem Auto die Fliesen heran. Bruno Lembke kniet mitten im Raum und lässt sich durch das Gewusel um sich herum nicht im mindesten aus der Ruhe bringen.
Neugierig beobachte ich, wie viele verschiedene Handgriffe offenbar nötig sind, um ein paar blöde Kacheln auf den Boden zu kleben. Hier muss ein Pröbchen entnommen werden, dort etwas testweise eingeritzt werden, dann
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