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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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kam Subinspector Aguilar mit zwei Kaffee zurück. »Und worüber grübelst du so angestrengt, Chef?«
    »Als du den Wagen geholt hast, hat Olivier Delorme mir eine Geschichte erzählt, die wir überprüfen müssen. Wir wissen, dass im selben Hotel, in dem die Tochter von Thomas logiert, auch ein Nachfahre von Napoleon Bonaparte wohnt. Um genau zu sein, ist er der Urururenkel von Napoleons jüngerem Bruder und somit einer der rechtmäßigen Thronerben Frankreichs.«
    »Aber in Frankreich gibt es doch überhaupt keinen Thron, den er besteigen könnte!«
    »Ich weiß. Spanien ist auch keine Republik, und trotzdem haben wir republikanische Parteien.« In der Nähe heulte die Sirene eines Streifenwagens, und als Aguilar abgelenkt den Kopf wandte, fürchtete Mateos, er werde wie ein Hund anfangen zu jaulen. Er wartete, bis der Wagen vorbeigefahren war, und fuhr dann mit seiner Erzählung fort:
    »Dieser Mann besitzt in Ajaccio eine Villa. Dort wurde vor kurzem ein Beethoven-Bild entdeckt, von dem zuvor nie jemand gehört hatte. Und rate mal, wer das Bild entdeckt hat?« »Thomas?«
    »Richtig. Die Bonapartes hatten das Bild schon ihr Leben lang im Haus, doch sie hielten es für das Porträt eines Arztes.«
    »Moment mal, ich komme nicht ganz mit. Woher kannte Thomas denn die Bonapartes?«
    »Hattest du das nicht mitbekommen? Über seine Tochter, Sophie. Sophie Lucianis Mutter ist Korsin und besitzt auf der Insel eine prächtige Villa. Sophie lebt ebenfalls in Ajaccio, wo sie auch arbeitet. Sie ist bekanntlich Musiktherapeutin. Delorme zufolge ist die Prinzessin Bonaparte eine Hysterikerin sondergleichen und klagt über alle mög lichen Wehwehchen, von denen die meisten blo ß eingebildet sind. Eine ihrer häufigsten Beschwerden sei Schlaflosigkeit gewesen, die sie nur mit Medikamenten bekämpfen konnte.«
    »War die Schlaflosigkeit auch nur eingebildet?« »Wie bitte?«
    »Na, ich frage, ob sie glaubte, nicht schlafen zu können, es aber in Wirklichkeit doch tat.« »Das soll ein Witz sein, oder?«
    »Du hast gerade gesagt, dass die meisten ihrer Leiden bloß eingebildet waren.«
    Mateos verdrehte die Augen. »Nein, nein, sie litt unter ganz realer Schlaflosigkeit. Anfangs kämpfte sie mit Tabletten dagegen an, doch das war keine Lösung, denn am nächsten Tag war sie dann müde und reizbar.« »Außerdem wird man davon abhängig.« »Du sagst es. Die Prinzessin Bonaparte entwickelte eine derart ausgeprägte Medikamentensucht, dass ihr erschrockener Ehemann die Schlaftabletten eines Tages in den Ausguss warf. Da begannen jedoch erst die wahren Probleme, denn zur Schlaflosigkeit kamen jetzt noch Entzugserscheinungen. Auf dem Höhepunkt der Krise -Delorme sagte, sie sei kurz davor gewesen, sich umzubringen - tat sie vier Tage kein Auge zu, sie halluzinierte, bis sie nicht einmal mehr bis drei zählen konnte - kurz, es war die Hölle. Sie glaubte, ihre Schuhe seien voller Spinnweben und auf ihrem Schreibtisch krabbelten ekelerregende Insekten - wie im Delirium tremens. Damals erzählte ihnen jemand von der Musiktherapeutin Sophie Luciani. Sie gingen zu ihr wie zu einer Kräuterhexe oder Heilerin -wie jemand eben, der von der Schulmedizin längst zum hoffnungslosen Fall erklärt wurde.«
    »Offensichtlich hat es etwas genützt.« »Ja. Delorme erzählte, nach zwei Wochen sei Besserung eingetreten, und nach drei Monaten sei sie bereits vollkommen geheilt gewesen. Nun ist Jeanne-Françoise, wie die Prinzessin heißt, Sophie Luciani auf ewig dankbar, dass sie sie von unsäglichen Qualen befreit hat, und sie wurden enge Freundinnen.« »Das ist nicht ohne Ironie.« Aguilar seufzte. »Wieso das denn?«
    »Diese Frau wird durch Musikhören von ihrer Schlaflosigkeit geheilt, und ich kann wegen der Musik aus der Kneipe unter mir oft ewig nicht einschlafen.« »Du bist doch Polizist, nicht wahr? Zeig ihnen, wo der Hammer hängt«, grinste Mateos.
    »Dafür tauge ich nicht. Wenn sie das Lokal schließen müssen, kann ich auch nicht schlafen - wegen Schuldgefühlen.«
    »Man kann nicht zugleich ein guter Polizist und ein guter Mensch sein, das habe ich dir schon tausendmal gesagt.« »Wie hat Thomas eigentlich das Bild entdeckt?«, wechselte Aguilar schnell das Thema.
    »Vor einigen Monaten lud Prinzessin Bonaparte Sophie und ihren Vater zum Essen ein. Weil Delorme schwul ist, war er nicht eingeladen.«
    F ür den Bruchteil einer Sekunde war Mateos' Zungenspitze zwischen den Zähnen zu sehen, schwarz vom Kaffee. Aguilar hatte die giftige

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