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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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und als sie drei Jahre alt war, begann es in der Ehe zu kriseln.« »Was war das Problem?«
    »Untreue. Ronald reiste wegen seiner Konzerte sehr viel herum, und sie nutzte seine häufige Abwesenheit, um sich mit anderen Männern zu vergnügen. Sie wissen schon, genau wie Napoleons Josephine damals. Aber abgesehen davon, gefiel es ihm auch einfach nicht auf Korsika. Die Sache endete mit einer lukrativen Scheidung.« »Lukrativ für wen?«
    »Für Ronald natürlich. Sie hatten keine Gütertrennung vereinbart, und er bekam die Hälfte ihres Vermögens.«
    »Das heißt also, Sehor Thomas war sehr reich.« »Reicher, als es für ein sorgenfreies Leben nötig war, das können Sie mir glauben.«
    »Vielleicht erklärt das, warum er die Beethoven-Partitur nicht verkaufte. Er brauchte das Geld schlichtweg nicht.« »Und hat er den Prinzen erst nach der Scheidung kennengelernt?«, hakte Aguilar nach, der seines Statistendaseins überdrüssig war.
    »Nein, das war erst vor kurzem. Sophie hat Korsika immer gemocht. Ich auch, wenn ich ehrlich sein soll. Kennen Sie die Insel?«
    »Wir waren leider noch nicht dort. Wobei ... Natürlich kann ich nicht ausschließen, dass mein Kollege die Insel doch kennt. Er ist immer für eine Überraschung gut.« »Nein, Korsika kenne ich nicht, aber wenn es so ähnlich ist wie Sardinien, kann ich nur sagen ...« Mateos schnitt seinem Assistenten das Wort ab: »Wir sind fast fertig. Wieso holst du nicht schon mal das Auto? Über Sardinien kannst du uns ein andermal berichten.«
    »Die beiden Inseln sind nicht zu vergleichen«, sagte Delorme, obwohl Aguilar ihn schon nicht mehr hören konnte. »Korsika betört einen mit seinem Duft. Was für Andalusien die Orangenblüten sind, ist auf Korsika der Geruch der Macchia.« »Macchia?«
    »So nennen die Korsen die Sträucher, die das Dickicht der Insel bilden. Sie verströmen einen Duft, den man, wenn er sich erst einmal hier festgesetzt hat« - Delorme tippte sich mit dem Zeigefinger an die Nase -, »nie wieder vergisst. Sophie hat immer in Ajaccio gelebt, und dort hat sie die Bonapartes kennengelernt. Jeanne hat Sophie sofort sehr liebgewonnen, sie wurden enge Freundinnen. Und vor ungef ähr zwei Jahren hat Sophie dann ihren Vater nach Korsika und zu einem Abendessen bei den Bonapartes geschleppt.«
    »Sie waren nicht dabei?«
    »Ich war leider nicht eingeladen. Der Prinz ist sehr altmodisch, verstehen Sie? Und Sophie liebt mich zwar sehr, aber sie wollte ihren Gastgebern auch keine Unannehmlichkeiten bereiten, indem sie den schwulen Freund ihres Vaters mit in die Villa brachte. Es ist wirklich schade, dass ich nicht bei diesem Essen war. Denn sonst könnte ich Ihnen jetzt als Augenzeuge eine interessante Geschichte erzählen, die sich nach dem Essen ereignete.« »Was ist da passiert?«
    Delorme fing an zu erz ählen, und Mateos wusste bald, wen er als Nächstes vernehmen musste: Prinz Bonaparte.

35
    Das Poster mit dem k ürzlich entdeckten Beethoven-Porträt, das Daniel im Internet bestellt hatte, erreichte ihn in perfektem Zustand. Das Gemälde war herrlich.
    Von den vielen erhaltenen Portr äts des Komponisten war das bekannteste das von Joseph Karl Stieler: Es zeigte den Musiker leicht schräg von oben, mit finsterem Blick und einem flotten roten Schal um den Hals. In der linken Hand hielt er die Partitur der Missa solemnis, op. 123, die seiner Einschätzung nach sein gelungenstes Werk war. Stieler war außerordentlich stolz auf dieses Gemälde gewesen, schließlich war es das erste Mal, dass das Genie sich bereit erklärt hatte, für ein Porträt Modell zu stehen - und dies auch erst, nachdem seine Freunde und Mäzene, die Brentanos, ihn mit all ihrer Überredungskunst dazu gedrängt hatten. Nur die Hände, die einen Bleistift und die Partitur hielten, musste Stieler aus dem Gedächtnis malen, denn irgendwann war Beethoven nicht mehr dazu zu bewegen gewesen, noch länger still zu sitzen. Und diese Hände waren es, die nun auf dem neuen Bild Daniels Blick auf sich lenkten. Die Linke ruhte elegant auf dem Klavier, die Rechte hielt ein liniertes, etwa DIN-A4-großes Blatt, auf dem klar und deutlich einige Noten zu erkennen waren.

    Diese Melodie war eine der absonderlichsten, die Daniel je gesehen hatte. Am auff älligsten war die zweimalige Verwendung eines Intervalls - einmal am Anfang und einmal am Ende -, das Tritonus genannt wurde, weil die zwei Noten, die es bildeten, drei Ganztonschritte auseinanderlagen. Vom Mittelalter bis zum Barock war

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