Die 10. Symphonie
diesen Reisen begleitete. Ich nehme an, er hatte dort irgendein Techtelmechtel. Denn Beethovens Skizzenbücher befinden sich in Berlin, nicht in Wien.«
»Haben Sie irgendwo einen festen Wohnsitz?« »In Paris. Aber verzeihen Sie, ich habe Ihre Theorie nicht ganz verstanden. Falls Ronald ein unveröffentlichtes Manuskript von Beethoven entdeckt hat, wieso hätte er es nicht an die Öffentlichkeit bringen sollen? Wieso nicht versteigern? Ich bin kein Experte auf dem Gebiet, aber der gesunde Menschenverstand sagt mir, dass ein Beethoven-Manuskript ein Schatz für jeden Sammler ist!« »Möglicherweise konnte er es nicht verkaufen.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Wenn Thomas gesagt hätte: Ich habe das Manuskript der Zehnten entdeckt , wäre er gefragt worden: Schön. Und wo? Und dann wäre noch die heikle Frage gekommen: Wem gehört es? «
»Sie meinen, Ronald hat das Manuskript gestohlen?« »Wir arbeiten mit folgender Hypothese: Ihr Freund hat herausgefunden - wie, das wissen wir noch nicht -, wo sich das Manuskript der zehnten Symphonie befand, er verschaffte sich Zugang zu diesem Ort, holte das Manuskript und sagte niemandem ein Sterbenswörtchen. Dann versteckte er es seinerseits an einem verborgenen Ort und ließ sich einen Notencode auf den Kopf tätowieren.« »Mit der Kombination eines Tresors, meinen Sie?« »So etwas in der Art.«
»Dann könnte der Mörder der rechtmäßige Besitzer der Partitur sein?«
»Das halte ich für unwahrscheinlich. Wenn der vorherige Besitzer rechtmäßig gewesen wäre, hätte er nach dem Verlust die Polizei informiert.« »Dann hat er also einen Dieb bestohlen?« »Wir ziehen besser keine voreiligen Schlüsse. Befindet sich irgendein Dokument oder Ähnliches im Besitz Ihres Freundes, von dem Sie annehmen, dass man damit den Code entziffern könnte? Ich bin sicher, wenn wir das Geheimnis der Noten entschlüsseln, kommen wir auch darauf, wer ihn ermordet hat.«
»Dazu müsste ich unter Ronalds Papieren nachsehen, aber die befinden sich in unserem Pariser Penthouse.« Plötzlich gab es ein Getöse - einer der Arbeiter hatte auf dem gerade montierten Tisch einen Bogenstoß versucht, doch die Kugel sprang vom Spielfeld und verfehlte Aguilar nur knapp. Er konnte gerade noch ausweichen. Mateos schaute den Subinspector strafend an, als sei er nicht das Opfer, sondern der Verursacher dieses Unfalls, und setzte die Vernehmung fort. Seine ganze Haltung suggerierte, man m üsse eben Geduld haben mit Aguilars vermeintlichem Ungeschick.
»Was für ein Verhältnis hatten Thomas und die Bonapartes?«
»Weshalb fragen Sie?«
»Meine Leute haben mir gesagt, dass Sophie mit ihnen befreundet ist. War Señor Thomas es auch?« »Sie kannten sich natürlich, aber sie waren keine großen Freunde.«
»Wie haben sie sich kennengelernt?« »Das ist eine lange Geschichte. Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass Sophies Mutter, Thomas' erste Frau, Korsin war?«
»Wieso seine erste Frau? War er mehrmals verheiratet?« »Nein, aber seine Ehe war nicht die einzige längere Beziehung mit einer Frau. Eine seine Partnerinnen war übrigens Spanierin.«
»Kennen Sie ihren Namen?«
»Nein. Ronald hat nicht gerne mit mir über seine heterosexuelle Phase gesprochen. Doch vielleicht weiß Sophie Bescheid.«
»Woher wissen Sie, dass sie Spanierin war?« »Einmal, als ich Bankunterlagen suchte, fand ich ein paar Liebesbriefe an Ronald. Sie waren auf Spanisch.« »Und Sie haben nicht gesehen, von wem sie unterschrieben waren?«
»Nein. Ich habe nur so viel gelesen, dass ich wusste, es handelte sich um etwas Privates. Ich habe es immer ver mieden, meine Nase in Ronalds Angelegenheiten zu stecken. Dabei st ößt man nämlich manchmal auf Dinge, die man lieber nicht erfahren hätte.« »Wo sind diese Briefe jetzt?« »Es ist alles in Paris.« »In einem Tresor?«
»Nein, wir haben dort keinen Tresor. Tut mir leid wegen Ihres Manuskripts.«
»Für die Klärung des Falls könnte es notwendig sein, diese Briefe zu untersuchen.« »Warum? Sie sind schon alt.«
»Manchmal kommt die Lösung eines Falls auf dem unwahrscheinlichsten Weg zustande.« »Ich werde sehen, was ich tun kann.« »Vielen Dank. Lassen wir die Briefe einmal kurz beiseite. Sie sprachen davon, wie Ihr Partner die Bonapartes kennengelernt hat.«
»Sophies Mutter entstammte einer der reichsten Familien Ajaccios, den Luciani. Ronald lernte sie eines Sommers an der Cöte d'Azur kennen, sie verliebten sich und heirateten. Sophie kam zur Welt,
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