Die 101 haeufigsten Fehler im Deutschen
Normalfall ist. Dem schließen wir uns an. Zu klären bleibt, wann dann der Sonderfall eintritt und eine Perfektzeit mit
sein
gebildet wird.
Dazu ist festzuhalten, dass alle transitiven Verben, also alle Verben, die ein Akkusativobjekt binden können und daher passivfähig sind, Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II mit
haben
bilden:
Der bekannte Journalist hat eine wahnsinnige Musil-Biographie vorgelegt. In ein oder zwei Jahren werde ich sie gelesen haben
. Auch alle reflexiven Verben bilden die Perfektzeiten mit
haben
, und zwar unabhängig davon, ob sie transitiv sind oder intransitiv:
Ina hat sich in Grund und Boden geschämt. Hatte sie sich doch unvorsichtigerweise nicht eines Kommentars enthalten. Der neue Stürmer hat sich eine Ausstiegsklausel vorbehalten
.
Daraus kann man umgekehrt schließen: Ein Verb muss nicht reflexiv und intransitiv sein, will es eine Chance auf ein
sein
-Perfekt haben. Doch diese beiden Bedingungen reichen nicht aus. Es muss außerdem telisch sein, und zwar in Bezug auf das Subjekt.
Was heißt nun «telisch»? Mit den Begriffen «telisch» und «atelisch» werden zwei verschiedene Aktionsarten von Verben unterschieden.Dabei handelt es sich um eine Bedeutungsunterscheidung. Mit «telisch» bezeichnet man solche Verben, die sich auf einen Nachzustand eines der am Vorgang Beteiligten beziehen:
Anna und Hans haben fünf Kinder großgezogen
. Der Nachzustand: Jetzt sind die Kinder groß. Allerdings sieht man sofort: In diesem Beispielsatz wird ein
haben
-Perfekt verwendet. Das liegt daran, dass das Verb in Bezug auf das Akkusativ-Objekt
fünf Kinder
telisch ist und nicht wie gefordert in Bezug auf das Subjekt, hier
Anna und Hans
. (Verben mit Akkusativ-Objekt, also transitive Verben, bilden die Perfektzeiten sowieso immer mit
haben
.) Telisch in Bezug auf das Subjekt ist das Verb in folgendem Satz:
Endlich ist Frau Dr. Schneider in der Chefetage angekommen
. Der Nachzustand: Frau Dr. Schneider (das Subjekt des Satzes) ist jetzt in der Chefetage. Bei einem Verb wie
arbeiten
etwa wird dagegen überhaupt kein Nachzustand in den Blick genommen:
Nun arbeitet Frau Dr. Schneider endlich in der Chefetage
. In Bezug auf das Subjekt telische Verben sind z.B.:
ankommen, aufbleiben, aufblühen, auffallen, aufkommen, bleiben, einschlafen, einnicken, entgleiten, entgehen, gelingen, geschehen, glücken, missglücken, passieren, sterben, umziehen
(= Wohnung wechseln),
untergehen, unterlaufen
(= als Versehen auftreten),
vergehen, verklingen, werden
usw.
Schwieriger gestaltet sich die Angelegenheit bei Bewegungsverben wie
joggen, laufen, fahren, fliegen, paddeln, reiten, rodeln, rudern, schwimmen, tanzen, tauchen, traben, wandern
u.a. Werden sie mit einer Richtungsangabe verwendet, ist mit der Bewegung ein Nachzustand erreicht. Damit sind die Verben telisch und bilden die Perfektzeiten mit
sein
:
Der Jammerlappen ist doch tatsächlich den Ziehweg hinuntergerodelt
.
Was ist denn in die Aktienmärkte gefahren? Etliche Dotcoms sind da in ein unternehmerisch gefährliches Fahrwasser gerudert. Welcher Broker ist da wieder aus der Reihe getanzt?
Bei Ortsangaben dagegen oder wenn andere oder gar keine Angaben verwendet werden, kommt ein Nachzustand überhaupt nicht in den Blick. Dadurch werden die Verben atelisch und bilden die Perfektzeiten mit
haben
(
sein
ist allerdings auch möglich):
Der Jammerlappen hat
(seltener auch:
ist
)
doch tatsächlich im Ziehweg gerodelt. Etliche Dotcoms haben
(auch:
sind
)
da in einem unternehmerisch gefährlichen Fahrwasser gerudert. Welcher Broker hat die ganze Nacht getanzt?
Aber meist nur:
Wer ist in der Fußgängerzonegefahren?
Denn
fahren
(ebenso wie
fliegen
) besitzt auch eine transitive Variante (
jemanden/etwas fahren/fliegen
) mit obligatorischem
haben
-Perfekt. Um hier klar zu unterscheiden, wird bei den intransitiven Varianten meist auf das
haben
-Perfekt verzichtet, selbst wenn es möglich wäre.
Anmerkung : Einige transitive Verben halten sich allerdings nicht an die Regeln. Zum Beispiel dann nicht, wenn es gilt, zwei Bedeutungen zu unterscheiden wie beim Verb
bummeln
. Dieses bildet nämlich auch dann ein
sein
-Perfekt, wenn es atelisch gebraucht wird:
Dann sind die beiden Mädchen noch ein wenig gebummelt
. Allerdings nur dann, wenn
bummeln
im Sinne einer gelassen unaufgeregten Bewegung verwendet wird. Wenn
bummeln
im Sinne von «trödeln» verwendet wird, setzt man zur Unterscheidung das
haben
-Perfekt ein:
Die beiden Mädchen haben in ihrem Studium doch arg
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