Die 101 wichtigsten Fragen - die Bibel
verbietet die Verehrung anderer Götter; nur Jahwe soll verehrt werden. Während biblischer Zeit hat sich Israels Religion vom Polytheismus zum Monotheismus entwickelt, letzterer hat sich allerdings nie völlig durchgesetzt. Bis in die Zeit des frühen Christentums blieb ein Polytheismus lebendig, der neben Jahwe eine zweite göttliche Position kannte, besetzt mit einer Weisheitsgöttin oder einem höchsten Engelwesen
(s. Frage 69).
Das 2. Gebot oder Bilderverbot verbietet die Herstellung und Verehrung eines Jahwebildes. In alter Zeit wurde Jahwe im Nordreich Israel in Gestalt eines Stierbildes verehrt, im Südreich Juda besaß der erste Jerusalemer Tempel vermutlich eine menschengestaltige Sitzfigur Gottes. Als nach der Zerstörung des ersten Tempels um 500 v. Chr. ein zweiter gebautwurde, gab es jedoch kein Bild mehr. Beim 3. Gebot ist an den Missbrauch des Gottesnamens beim Schwören im Rechtswesen gedacht; durch Anrufung des göttlichen Namens konnte man sich von einer Beschuldigung befreien, wenn es keine Zeugen gab (sog. Reinigungseid).
Das 4. Gebot oder Sabbatgebot stammt wohl aus dem 6. Jahrhundert v. Chr.; in älterer Zeit gab es einen monatlichen, aber keinen wöchentlichen Ruhetag. Vorgeschrieben wird nur Arbeitsruhe, von religiösen Pflichten ist nicht die Rede. Das 5. Gebot – Elternehrung – bezieht sich auch außerhalb Israels im Alten Orient auf die Versorgung der alten Eltern durch ihre erwachsenen Kinder. Beim 6. Gebot – Tötungsverbot – ist nicht an Kriegshandlungen und Todesstrafe gedacht, sondern an hinterhältigen und vorsätzlichen Mord persönlicher Feinde. Das 7. Gebot – Verbot des Ehebruchs – bedarf keiner Erläuterung. Dasselbe gilt vom 8. Gebot, dem Verbot des Diebstahls. Das 9. Gebot hat nicht jede Lüge im Blick, sondern nur die Falschaussage, die einen Prozessgegner beschuldigt und diesen schädigt oder ihn sogar das Leben kostet.
Das 10. Gebot überschneidet sich weder mit dem Verbot des Ehebruchs noch mit dem Verbot des Diebstahls. Es liegt ein eigener Tatbestand vor: Ist ein Mann längere Zeit von seiner Frau und seinem Besitz abwesend (z.B. durch Krieg oder Verschleppung), dann ist es anderen Männern verboten, sich die Frau samt des Besitzes anzueignen. Das Gebot beruht auf einer Bestimmung des antiken Rechtswesens. In der
Odyssee
sehen wir, wie sich eine Frau an eine solche Regel hält: Obwohl Penelope von vielen Männern umworben wird, wartet sie geduldig auf Odysseus, der schließlich – nach zehnjährigem Krieg und zehnjähriger Irrfahrt – nach Hause kommt. Nach spätrömischem Recht darf eine Frau, deren Ehemann verschollen ist, erst nach fünf Jahren eine neue Ehe eingehen.
Das erfolgreichste der Zehn Gebote ist das Gebot des wöchentlichen arbeitsfreien Tags. Es wird heute auf der ganzen Welt befolgt.
60. Gibt es in der Bibel auch Philosophie? Das Buch Kohelet, das in vielen Bibelausgaben auch «Der Prediger Salomo» heißt, ist die einzige philosophische Schrift der Bibel. «Kohelet» ist wahrscheinlich kein Eigenname, sondern ein Titel mit der Bedeutung «Vorsteher eines Vereins». Wir haben es mit der Schrift des Vorstehers eines philosophischen Vereins zu tun, der mit seinen Schülern über jeneFragen diskutiert, die Immanuel Kant zu drei Grundfragen gebündelt hat: Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Was soll ich tun? Auf alle drei Fragen weiß Kohelet eine Antwort:
Was kann ich wissen? Nur wenig! Die Zeitgenossen, die viel Wissen über die Vergangenheit aus Werken der Geschichtsschreibung schöpfen können, müssen sich von Kohelet belehren lassen: Über die Zukunft können wir nichts wissen.
Was darf ich hoffen? Viele Weisheitslehrer behaupten, menschliches Wohlverhalten ziehe ein glückliches, von Unglück und Not verschontes Leben nach sich. Das stimmt nicht, sagt der Autor. Außerdem ist die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod unbegründet. Mensch und Tier haben dasselbe Schicksal (Kohelet 3,19).
Was soll ich tun? Kohelet erteilt nur wenige Ratschläge. Sie seien hier – unter Verzicht auf Kohelets poetische Sprache – in Prosa gefasst: (1) Bemühe dich immer um Weisheit. Selbst das geringe Wissen, das man erreichen kann, ist für das Leben von Vorteil. Weder Reichtum noch Macht können Wissen und Weisheit ersetzen. (2) Was immer du tust, tu es mit Eifer und Verstand. Bedenke: Den Erfolg hast du nie in der Hand! (3) Verbünde dich mit einem anderen oder wenigen anderen Menschen; nur so lässt sich das Leben bewältigen. (4) Übe
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