Die 101 wichtigsten Fragen - die Bibel
Michabuch erwartet einen König und Heilbringer aus Bethlehem (Micha 5,1–3). Um Jesu besondere Bedeutung zu unterstreichen, verlegt die Legende Jesu Geburtsort nach Bethlehem und macht seinen Vater Josef zu einem Nachkommen Davids.
54. Hat Jesus Wunder gewirkt? Von Jesus werden allerlei Wundertaten berichtet: Auf seinen Befehl legt sich ein Sturm, er wandelt über den See ohne unterzugehen, mit wenigen von ihm gesegneten Broten können Hunderte von Menschen gesättigt werden («Brotvermehrung»), er befreit eine Frau vom Fieber, er gibt einem Blinden das Augenlicht wieder, er bringt sogar Tote ins Leben zurück. Oft ist von der Heilung von Menschen die Rede, die von bösen Geistern – Krankheitsgeistern – besessen sind (Markus 9,14–27). Wie bei Wundern üblich, vollzieht sich das Geschehen stets augenblicklich. Haben solche Wunder stattgefunden? Was ist von den Berichten zu halten?
Alle Wundererzählungen wollen Jesus als einen Menschen von übermenschlichen Kräften feiern. Manche Wunder dürften nie stattgefunden haben. Heute gelten sämtliche «Naturwunder», bei denen Naturgesetze außer Kraft zu setzen wären, als rein legendär, etwa das Wandeln über den See und die Sturmstillung (Markus 4,35–39; 6,49). Dagegen stehen Jesu Heilungen einer grundsätzlich anderen Beurteilung zumindest offen. Mediziner und Psychotherapeuten kennen Lähmung, Erblindung, Sprach- und Gehörverlust, die anhalten, solange unbewusste Ängste den Zugang des Willens zur Motorik der Muskulatur oder zur Wahrnehmung blockieren. Begegnungen mit einer beeindruckenden, liebenden und Vertrauen einflößenden Person – und ähnliche emotionale Erlebnisse – können neue Kraft mobilisieren. Auf diese Weise können selbst langdauernde sogenannte psychoneurotische Symptome verschwinden. Bei den entsprechenden Symptomen liegen keine Organschädigungen vor – und deshalb kann es zu spontaner Heilung kommen. Solche «Spontanremissionen» werden auch heute noch als Wunder erlebt. Anders verhält es sich bei psychosomatischen Erkrankungen, wo aufgrund seelischer Fehlsteuerung echte körperliche Erkrankungen vorliegen, zum Beispiel Bluthochdruck und Magenbeschwerden. In diesem Fallhandelt es sich um organische Veränderungen, die sich nicht durch «Wunderheilung» wegzaubern lassen. Hier müssen Therapeut und Patient geduldig und oft lange zusammenarbeiten, um die psychische Mitverursachung einer Krankheit auszuschalten (Eugen Drewermann,
Hat der Glaube Hoffnung?
, 2000).
55. Welche Jesusworte der Evangelien stammen nicht von Jesus? Die Evangelien erscheinen bei einer ersten Lektüre als zuverlässige Berichte über die Worte und Taten Jesu. Dieser Eindruck trügt. Manche Aussprüche Jesu erwecken den Verdacht, nicht auf Jesus selbst zurückzugehen, sondern von den Evangelisten oder anderen frühen Jesusanhängern zu stammen. Gute Beispiele hierfür finden sich im Matthäus-Evangelium. Wer diese Schrift genau liest, entdeckt mehrere Aussprüche, die – ohne Namensnennung – auf Paulus gemünzt sind. Um das Jahr 30 konnte Jesus selbst von Paulus noch nichts wissen. Während Paulus in den 50er Jahren für ein christliches Leben wirbt, das auf traditionelles jüdisches Brauchtum verzichtet, stellt sich das Matthäus-Evangelium (um 80 oder 90 n. Chr.) gegen eine solche Auffassung – und legt seine Kritik Jesus in den Mund. Dazu gehören folgende unechte Jesusworte:
(1) Jesus: Am Buchstaben des jüdischen Gesetzes ist nicht zu rütteln; alles bis ins Kleinste bleibt gültig. Wer auch nur eines der Gebote missachtet und andere in diesem Sinne unterweist, wird der Kleinste im Himmelreich sein. (Matthäus 5,17–19) – Der die Gebote missachtet und andere dies lehrt, ist kein anderer als Paulus. (2) Jesus: Hütet euch vor den falschen Propheten! An den Früchten werdet ihr sie erkennen. Jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. (7,15–20) – Wiederum ist an Paulus gedacht. Während der zuvor genannte Spruch Paulus noch den «Kleinsten» im Himmelreich sein lässt, wünscht ihn dieser Spruch ins höllische Feuer. (3) Jesus: Wer zu mir «Herr, Herr» sagt, aber das jüdische Gesetz nicht befolgt, wird nicht ins Himmelreich kommen; zu solchen Menschen werde ich sagen: «Weg von mir, ihr Übertreter des Gesetzes.» (7,21–23) – Paulus, der Jesus stets als «Herrn» bezeichnet, wird als Übertreter des Gesetzes gebrandmarkt. (4) Jesus: Wehe euch, ihr Pharisäer! Ihr zieht über Land und Meer, um einen
Weitere Kostenlose Bücher