Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus
Kurzform für Ägypter).
Das «Zi.»-Wort – «Zi.» statt «Z», weil diese Menschen unter den Nazis mit einem «Z» gekennzeichnet wurden – stellt keine Eigenbezeichnung dar und trägt weder linguistisch, kulturell, religiös noch geographisch dazu bei, menschliche Gesellschaften sinnvoll zu klassifizieren. Indem der Begriff «Antiziganismus» dieses rassistische Wort in sein Zentrum stellt, suggeriert er, dass es diese Menschen überhaupt gäbe. Tatsächlich handelt es sich nicht um eine beliebige, sondern eine rassistische Feindseligkeit, die sich im Verbund mit exotisierenden Konstruktionen historisch entwickelte. Angebliche körperliche Merkmale wurden kulturell, mental und religiös bedeutungsvoll aufgeladen und schließlich als rassistisches Paket verabsolutierendden so konstruierten Menschen zugeschrieben. Im Kern ging es darum, «Zi.» einen Mangel an «Zivilisiertheit», Kultur und Vernunft zu attestieren, der mit einem Übermaß an Emotionalität einhergehe und sie der «weißen Rasse» unterlegen mache. Sie hätten eine Begabung für Musik, die aber nur intuitiv veranlagt sei, weswegen sie nicht über Straßenmusik und Schaustellerei hinauskämen. Auch erotisierende Fantasien, sie seien sexuell besonders freizügig, schließen sich hier diskursiv an. In (pseudo)theologischen Auslegungen wurde den angeblichen «Heid_innen» unterstellt, Maria und Joseph die Herberge verweigert und die Nägel für Christus’ Kreuzigung gefertigt zu haben. Kulturell mangele es ihnen überdies an Sesshaftigkeit, verbunden mit der Unfähigkeit, ein bürgerliches Leben zu führen und einer produktiven Arbeit nachzugehen, die zum Gemeinwohl beiträgt. Mental münde dieser Müßiggang wiederum in eine selbst verschuldete Armut und in notorisch angelegte kriminelle Handlungen.
Diese rassistischen Mythen faszinieren seit jeher
weiße
europäische Imaginationen in Kunst, Musik und Literatur, wobei sie zugleich in Theologie, Natur-, Sozial- und Kulturwissenschaft befördert wurden. Hinzu kommt, dass auch Kriminologie und Politik mit diesen Konstruktionen arbeiteten und im Zusammenspiel mit dem wissenschaftlichen Rassismus «Zi.» als «Rasse von Verbrechern» (Cesare Lombroso) konstruierten, bei der sich eine rassisch bedingte Asozialität nachweisen lasse. Staatlich sanktionierte Landesverweise, Folterungen, Ermordungen und Verschleppungen waren die Folge. Als «Zi.» bezeichnete Menschen wurden zur Arbeit in Arbeitshäusern und privaten Haushalten gezwungen, Kinder wurden ihren Familien entrissen, in Waisenheimen misshandelt und «Zi.» demographisch erfasst und polizeilich mittels der Daktyloskopie, einem Vorläufer der Biometrie, der sich auf die Papillarleisten in den Handinnen- und Fußunterseiten konzentriert, registriert.
Es ist möglich, diesen Rassismus als Antiziganismus zu beschreiben. Es geht aber nicht allein um Feindseligkeit noch gibt es überhaupt «Zi.». Deshalb wird auch alternativ von «ziganistischem Rassismus» gesprochen, um deutlich zu machen, dass schon der «Zi.» eine diskriminierende Erfindung darstellt.
10. Gibt es kulturellen Rassismus? «Kultureller Rassismus» markiert begrifflich eine Trendwende. Hier wird anerkannt, dass es keinemenschlichen «Rassen» gebe oder dass es wenigstens unangemessen sei, von «Rassen» zu sprechen. Deswegen verzichtet dieser Rassismus angeblich darauf, körperliche Unterschiede festzumachen, sondern postuliert vielmehr kulturelle Unterschiede, die sich etwa in der Religion oder Kleidung ausdrückten. Dabei wird von einem umstrittenen Kulturbegriff ausgegangen, der festlegt, was dazu und was nicht dazugehört. Kultur wird mit Herkunft verbunden und zugleich bleiben dynamische, differenzierte Wandlungsprozesse unterbelichtet.
So wohnt etwa Begriffen wie «Leitkultur» oder «Parallelkulturen» die Idee eines
weißen
christlichen Deutschlands inne. Daraus folgt auch die Unterstellung, dass es Kulturen gebe, die unvereinbar seien und nicht gemeinsam eine Gesellschaft konstituieren können. Dabei werden kulturelle und religiöse Symbole, wie etwa das Tragen eines Kopftuchs, zu Symbolen des Nicht-Dazugehörens gemacht. Im Duktus von Thilo Sarrazin, hier in einem
Welt
-Interview im August 2010, hört sich das so an: «Ich bin kein Rassist. Wenn Sie mein Buch gelesen haben, wissen Sie, dass ich die Integrationsprobleme muslimischer Migranten in Europa auf den islamischen kulturellen Hintergrund zurückgeführt habe.»
Allerdings halte ich es nicht für adäquat, von
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