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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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in solchen Situationen gelegentlich vorkommt.
    Seine nächste Geschichte handelte von den blauen Blitzen. Er erzählte eine ausladende Abschweifung ohne eigentliche Pointe, die darüber spekulierte, was die Unsichtbaren Leute unterhalb von Atlantis eigentlich treiben. Er tat dies im Ton einer persönlichen Mitteilung, einer intimen Klatschgeschichte hinter vorgehaltener Hand, womit er das Publikum geschickt zu seinem Komplizen machte.
    Fhakir behauptete, die Unsichtbaren Leute seien ursprünglich von einem anderen Planeten nach Atlantis gekommen (als Beweis führte er jene Häuser der Stadt an, in denen das Wasser bergauf fließt) und dann in die Kanalisation vertrieben worden.
    Er erzählte weiter, daß sie unterhalb von Atlantis ein schreckliches Geheimnis pflegten und daß die blauen Blitze damit im Zusammenhang stünden. Was dieses schreckliche Geheimnis nun sei, gab er nicht preis, er überließ es der Phantasie seiner Zuschauer.
    Das war nun eine Geschichte ohne jeden Humor oder ein Tränchen der Rührung, aber sie war so kunstvoll vorgetragen, daß einem kalte Schauer den Rücken hinunterliefen. Außerdem hatte er eine Tabufrage zur Sprache gebracht, die jeden berührte, aber niemand wirklich zu stellen wagte: Was machten eigentlich die Unsichtbaren Leute da unten?
    Während ich läppisches Seemannsgarn spann, behandelte Fhakir aktuelle Zeitfragen.
    Einen Augenblick herrschte atemlose Stille, dann brandete frenetischer Applaus auf. Zehn Punkte, höchster Wert. Nussram Fhakir hatte gezeigt, daß er nichts verlernt hatte. Dem war nicht viel entgegenzusetzen. Ich antwortete mit einer ziemlich müden Geschichte über yhöllisische Kannibalendämonen, in deren Hände ich gefallen war und die mich verspeisen wollten. Mir gelang es, das Wasser im Kochtopf abzukühlen, indem ich um ein letztes Pfefferminzbonbon bat, wodurch mein Atem so frisch wurde, daß ich das Wasser damit zum Gefrieren brachte und es schließ- lich sogar als Pfefferminzeis an die Kannibalen verkaufen konnte. Das war nun so kindisch, daß es mir verdientermaßen drei Punkte einbrachte, die niedrigste Punktzahl, die ich je erzielt hatte.
    So ging es eine Weile weiter, zur großen Freude von Smeik und zum Entsetzen von Chemluth. Nussram servierte eine brillante Geschichte nach der anderen und kassierte Höchstwerte, ich lieferte Standardqualität und bekam Achtungspunkte. So gingen die ersten zehn Runden an meinen Gegner.
    Wie man sieht, spekulierte ich nicht auf einen schnellen Sieg. Lügengladiatorenduelle sind ohne zeitliche Begrenzung, sie dauern so lange, bis einer der Gladiatoren aufgibt. Ich vertraute also auf meine jugendlichen Kraftreserven und hoffte auf Altersschwächen bei Fhakir. Im Laufe eines Duells verschleißen sehr schnell die Stimmbänder, das war eine meiner Stärken, ich konnte dank der intensiven Ausbildung durch die Tratschwellen ohne jede Ermüdung quasseln, auch tagelang, wenn es erforderlich war.
    Aber es gab keinen Grund, meinen Gegner zu unterschätzen. Sein Vorrat an frischen Ideen schien unerschöpflich, sein schaupielerisches Können und sein Charme waren auch nach zehn Runden ungebrochen.

    Runde 11
    In der elften Runde wechselte er überraschend die Taktik, verließ sein sicheres Erzählgebiet Atlantis und betrat das meine, die Welt der Phantasie - wohl um zu demonstrieren, daß er dort genausogut zu Hause war wie ich. Die Lügengeschichte spielte in den Zamonischen Alpen und handelte von einem singenden Pferd, mit dem er im Duett einen Jodelwettbewerb gewonnen hatte. Er imitierte die Stimme des Pferdes mit großer komödiantischer Akkuratesse, wieherte und jodelte. Die Pferdeimitation kam gut beim Publikum an, neun Punkte, ein hoher Wert, wie üblich. Ich entschied, daß dies der Augenblick war, an dem auch ich meine Strategie ändern mußte. Anstatt wie bisher knappe, pointierte Geschichten mit Humor zu erzählen und magere Punkte zu kassieren, mußte ich jetzt ein Glanzlicht setzen, damit das Publikum nicht das Interesse an mir verlor. Also erzählte ich die Geschichte vom Maulwurfsvulkan. »Ich - kann - fliegen.«
    So fing ich an, ich warf die Worte einzeln in das Megatherrund und sicherte mir damit zunächst die Aufmerksamkeit des Publikums. Es wurde mucksmäuschenstill. Smeik erwachte aus seinem seligen Tagtraum, in dem er wahrscheinlich Pyras zählte. Chemluth knetete aufgeregt seinen Hut in den Händen.
    »Auf meinen ausgedehnten Reisen geriet ich eines Tages auch nach Unbiskant, dem weißen Flecken auf der

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