Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
ungemütlich. Daran muß man sich erst wieder gewöhnen.«
Das Publikum lachte und beklatschte seine Reminiszenz an seine Gladiatoren-Vergangenheit.
»Obwohl es sich kaum lohnt, sich daran zu gewöhnen. Wir werden eh bald die Plätze tauschen.« Nussram sah mich durchdringend an. Ich erschauderte.
Das Publikum lachte noch lauter.
Er zeigte mit dem Finger so anklagend auf mich, daß ich den Kopf einzog.
»Ist das mein Gegner?« fragte er höhnisch. »Dieser Blabär?« »Blaubär!« wagte ich zu korrigieren.
»Oder Blaubart - was auch immer!« konterte er.
Das Publikum feixte.
»Sie wissen ja, was man über Bären sagt: Laß nie deine Speisekammer offen, wenn einer in der Nähe ist«, tuschelte er so laut ins Publikum, daß ich es sehr wohl hören konnte. Amüsiertes Gekicher.
Ich hatte schon davon gehört, daß er vor den Duellen versuchte, seine Gegner durch solche Mätzchen zu entnerven. In seiner Biographie hatte er diesem Thema ein ganzes Kapitel gewidmet. Er hielt es für eine eigenständige Kunstform, die Schwachpunkte des Gegners herauszufinden und ihn damit zu demoralisieren. Das Kapitel hieß »Die 39 Wege der Demütigung« und beschrieb 39 Varianten, den Mut des Gegners schon vor der ersten Runde zu brechen. Ich muß gestehen, daß mir dieses Kapitel als einziges im Buch nicht gefiel. Ich hielt nichts von taktischen Mätzchen außerhalb des Duells, ich war für den offenen Kampf. Aber jeder hatte da so seine eigenen Methoden. Mit seiner hatte Nussram Fhakir allerdings manche Kämpfe schon gewonnen, bevor sie überhaupt angefangen hatten.
Ich blieb daher gelassen und versuchte diesen harmlosen Witz zu überhören. Seit meiner Erfahrung mit der Gourmetica Insularis war Übergewichtigkeit ein empfindliches Thema für mich, und man konnte mich damit leicht auf die Palme bringen - hier aber galt es, sich professionell zu verhalten. »Ich kannte mal einen Bären, der war so verfressen, daß er sogar die Kalorien gegessen hat, die andere beim Abnehmen verlieren.« Nussram hatte sich entspannt zurückgelehnt und amüsierte sich offensichtlich selbst über seinen neuen Seitenhieb.
Das Publikum fand derart bärenfeindliche Witze anscheinend sehr erheiternd, denn es quittierte sie mit Gelächter und Applaus.
»Als er starb, war er so vollgefressen, daß sein Magen notgedrungen noch einen Monat länger weiterleben mußte!«
Ich zeigte keinerlei beleidigte Regung, im Gegenteil, ich schenkte Nussram ein höfliches Lächeln und verneigte mich leicht vor ihm, um ihm meinen Respekt anzudeuten. Er verstand sehr schnell, daß er damit bei mir nicht sehr weit kommen würde.
Er wechselte das Thema.
»Ich habe gehört, du bist nie geboren worden. Das stand jedenfalls in der Zeitung.«
Das Publikum verstummte. Das war kein galanter Scherz mehr, sondern ein Schlag unter die Gürtellinie. Dies war allerdings ein Thema, das mich aus der Fassung bringen konnte.
»Wie kann das gehen?« fragte Nussram ins Publikum. »Ist er vielleicht aus dem Boden gewachsen? Wenn mein Gegner nie geboren wurde, wie kann er dann hier sein? Vielleicht ist er gar nicht da, und ich habe den Kampf schon gewonnen. Dann kann ich ja gehen.«
Ein paar gequälte Lacher aus dem Publikum. Ich bekam erste Zweifel an der Fairneß meines Vorbilds.
»Er tut mir fast leid, wie er da sitzt - mutterseelenallein. « Anscheinend ist es der beste Weg, den Respekt vor den eigenen Idolen zu verlieren, ihnen persönlich zu begegnen. Mutterseelenallein - Sie verstehen?« Er konnte es sich nicht einmal verkneifen, diesen primitiven Wortwitz zu wiederholen.
Volzotan Smeik gab mir ein geheimes Zeichen, das bedeutete, daß ich mich nicht aufregen sollte. Aber dazu war es zu spät. Äußerlich behielt ich mein nonchalantes Lächeln, aber innerlich fing ich an zu kochen. Fhakir würde besser daran tun, damit aufzuhören.
»Selbst ein Waisenkind hat mehr Familie als unser Blaubär hier«, lachte Nussram, aber niemand lachte mit. »Vielleicht sollte ich ihn adoptieren.«
Ich war tatsächlich bereit gewesen, dieses Duell mit Freude zu verlieren, als Huldigung an mein Idol, als Zeichen meines Respekts vor Fhakirs Leistungen. Aber jetzt wollte ich diesen Kampf nicht nur gewinnen, sondern ich wollte Nussram Fhakir, den Einzigartigen, so besiegen, wie noch nie ein Lügengladiator besiegt worden war.
Nein, ich wollte ihn nicht nur besiegen, ich wollte ihn zerstören, zermalmen, ihn nach allen Regeln der Lügenkunst auseinandernehmen. Ich wollte, daß ihm jedesmal ein
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