Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
Vom Netzwerk:
(
    Ich blieb stehen. In meiner Ungeduld, Gralsund zu erreichen, hatte ich überhaupt nicht auf die Veränderungen in der Landschaft geachtet. Ich hatte die Salzmarschen längst hinter mir und stand direkt an der Grenze zu Unbiskant. In der Ferne dampfte niedlich der Maulwurfsvulkan.« Ich wußte, vor den Augen meines Publikums würde jetzt ein Bild des Maulwurfsvulkans erscheinen, so wie ihn viele von ihnen ja schon aus der Ferne gesehen hatten.

    »Ich überlegte. Ein Umweg um Unbiskant würde einen zusätzlichen Fußmarsch von gut zwei Monaten erfordern, vielleicht mehr. Was war das überhaupt für ein Ding mit diesem Land? Keiner hatte es je betreten. Woher sollte man wissen, daß es wirklich gefährlich war?
› Von mir(, säuselte der Treibsand. ›Ich bin Treibsand, der es gut meint! Das ist sehr selten. Eigentlich ein Wider-
    spruch in sich selbst. Geh einfach weg. Geh, bevor es zu spät ist! ‹«
    Mit der Stimme des Treibsandes zu reden, war ein erzählerisches Risiko. Viele der Anwesenden kannten diese Stimme, hatten sie bei ihren Exkursionen an die Grenzen Unbiskants selber im Kopf gehört. Es war ein beliebtes Ferienvergnügen der Atlanter, dorthin zu reisen und sich vom Treibsand wieder nach Hause schicken zu lassen. Die Stimme mußte etwas Rauhes, Sandiges, aber auch Elegantes, Verlockendes und Gefährliches haben, also ließ ich sie klingen wie eine Kobra, die sich über Schmirgelpapier schlängelt, ein rauhes Gurgeln der Stimmbänder, gemischt mit gefährlichem Zischeln.
    »Vielleicht ist das ja auch ein Trick, dachte ich. Vielleicht steckt Unbiskant ja auch voller ungehobener Schätze, oder Bodenschätze. Vielleicht war diese Stimme ja auch irgendein raffinierter Geräuscheffekt, vielleicht waren es Geräuschwellen, ferngesteuert - es gibt da die unglaublichsten Sachen! Ich bin zur Nachtschule gegangen, mich kann man nicht so leicht austricksen.
    ›Hier gibt es keine Schätze, Schätzchen! Nur mich, den Treibsand. Wenn du mich betrittst, sinkst du ein wie in Friedhofesumpf. Ich verstopfe dir den Hals, die Nase und die Ohren, und dann ... Ah, ich hasse diesen Aspekt des Versinkens, er hat mit erstickten Schreien zu tun und grausigen Skeletten, die in mir verbleichen ... Deswegen rate ich dir im Guten: Geh weg! Hau ab! Vertrete dir ein bißchen die Beine. Es gibt einen sehr schönen Wanderweg an der Dämonenklamm vorbei. Die Gebirgsdämonen da sind harmlos, sie werfen nur mit Edelweiß. Du gehst dann südöstlich, überquerst den Klammfluß an der Flußenge bei Buchting, da kannst du praktisch durchwaten, und hältst dich dann ...<
    >Du willst mich reinlegen. Du hast was zu verbergen. ‹
    ›Hab ich nicht. <
    >Hast du doch.‹
    >Hab ich nicht.«
    ›Hast du doch.‹
    >Na schön - du willst nicht anders. Na los, komm rein. Ich bin gar kein Treibsand. Ich bin solider Wüstenboden. Und der Krater des Maulwurfsvulkans ist voll mit Gold und Diamanten. Dagegen kannst du den Ring für deine Geliebte vergessen. Da könntest du Schätze für sie abstauben - du glaubst es nicht! <
    ›Woher weißt du von meinem Ring?‹
    >Ich kann schließlich Gedanken lesen. Ist dir noch nicht aufgefallen, daß wir uns unterhalten, ohne daß du die Lippen bewegst?<
    Ich überlegte einen Augenblick und wog die Situation ab. Auf die eine Waagschale legte ich meine Vernunft, meine natürliche Vorsicht und die Ratschläge des Treibsands. Auf die andere Waagschale legte ich meine Neugier, meine angeborene Dummheit, meinen Verdacht des großangelegten Betrugs und ein paar Zentner Gold und Diamanten für meine Geliebte. Raten Sie, auf welcher Seite sich die Waagschale deutlich senkte?«
    Die Damen im Publikum holten tief Luft. Die Männer krallten sich in die Stuhllehnen. Die Wolterken, die weder Männlein noch Weiblein waren, hielten sich die Ohren zu. Chemluth biß in seine Mütze.
    »Ich ging drei Schritte nach vorn und versank im Treibsand. « Ich ließ den Satz eine Weile im Raum zittern. Sie hatten jetzt eine dramatische Versink-Arie erwartet, mit Rettung in letzter Sekunde, vielleicht durch einen Rettungssaurier oder einen Treibsandhosenträger. Nichts da. Ich versank einfach. Blub.
    Ich legte eine lange Kunstpause ein. Ich sah aus dem Augenwinkel zu Smeik hinüber, der versuchte, seinen gleichgültigen Gesichtsausdruck aufrechtzuerhalten, aber ich konnte sehen, wie seine Kiemen vor Anspannung zuckten. »Ich hatte mich also geirrt, und der Treibsand behielt recht. Ich würde sterben, mit der Lunge voll Sand - und ja, sogar

Weitere Kostenlose Bücher