Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
auf eine Tasse Fischsuppe einzukochen, nur mit dem Feuer meiner Liebe. Ich könnte den Lauf der Welt anhalten, rückwärts- und dann wieder vorlaufen lassen, nur um jene Geste noch einmal zu sehen, mit der sie sich die Margeritenblüte hinters Ohr steckte.
Nur eins, da war ich mir vollkommen sicher, konnte ich nicht: das Blaubärmädchen ansprechen.
Man wird nun mit einiger Berechtigung erwarten, daß ich nichts Eiligeres zu tun gehabt hätte, als mich diesem wunderschönen Geschöpf vorzustellen und sein Herz zu gewinnen. Schließlich war dies, abgesehen von all den anderen Vorzügen, das einzige andere Blaubärwesen, dem ich jemals begegnet war. Meine Sehnsucht, mich mit dem Mädchen zu unterhalten, war fast schmerzhaft, die Umstände für ein erstes Rendezvous hätten besser nicht sein können: der Sonnenuntergang, mein erholtes Äußeres, die schöne Lichtung. Das Schicksal hatte uns füreinander bestimmt (da war ich sicher). Aber in diesem Augenblick überkam mich eine Empfindung, die ich in meinen bisherigen Leben in dieser Form noch nicht gespürt hatte: Schüchternheit. Instinktiv suchte ich noch besseren Sichtschutz hinter einem großen Brennesselfeld.
Bei dem bloßen Gedanken, aus dem Gebüsch zu treten und mich dem Mädchen vorzustellen, brach mir der kalte Schweiß aus. Was wäre, wenn ich stolpern und mich der Länge nach hinlegen würde? Was, wenn es mich auslachen würde? Oder vor mir erschrecken? Der erste Eindruck ist immer der wichtigste, sagt man. Vielleicht fand sie mich häßlich? Wie lag überhaupt mein Fell? Hatte ich Mundgeruch? Stand mir die Hose offen? Hatte ich mir die Ohren gewaschen? Solche und ähnlich absurde Gedanken schössen mir durch den Kopf, und in meinem damaligen Zustand erschienen sie mir vollkommen vernünftig. Also blieb ich zunächst wie gelähmt in meinem Gebüsch sitzen und beschränkte mich darauf, das Blaubärmädchen aus der Ferne zu bestaunen.
Und das war auch im wesentlichen das einzige, was ich in den nächsten Tagen tat: Ich blieb im Verborgenen und beobachtete das schöne Mädchen. Der Wald und seine dichten Gebüsche, die korpulenten Eichen mit ihren verzweigten Baumkronen und das hohe Gras, die Brennesseln, Brombeerbüsche und Farne boten reichlich Gelegenheit zum Verstecken.
Das Blaubärmädchen wohnte in einem kleinen Haus am Saum der Lichtung, wo ich es zum ersten Mal gesehen hatte. Das Haus war ganz aus Holz gebaut und mit Ästen gedeckt. Und hier gab es all die Tiere, die ich im Wald vermißt hatte. Als suchten sie hier Schutz, hatten sie sich alle in der Nähe oder direkt auf der Lichtung eingerichtet. Vögel hatten ihre Nester in das Blätterdach gebaut, Eichhörnchen und Wühlmäuse gingen durch Türen und Fenster wie selbstverständlich ein und aus. Zitronenfalter flatterten über die Lichtung, dicke Hummeln brummten beim Honigsuchen ihr zufriedenes Hummellied, und auf dem kleinen Bach, der die Lichtung in zwei Hälften teilte, schwamm eine neunköpfige Entenfamilie.
Vor dem Haus war ein kleiner Garten angelegt, streng fachmännisch in Nutz- und Zierabteilungen abgegrenzt, in dem speckige Blumenkohlköpfe und feiste Kürbisse wucherten, pralle Tomaten glänzten und große Rhabarberblätter einer Doppelreihe Radieschen Schutz vor der Sonne boten. Rosmarin, Petersilie und Schnittlauch wuchsen neben knallrotem Klatschmohn und wilden Rosen. Ein drolliges kleines Kartoffelfeld, ein paar Reihen Mohrrüben und Zwiebeln, ein Miniatururwald aus Brunnenkresse, Majoran, Minze und Salbei - hier sorgte nicht nur eine geschmackssichere Hand für ästhetische Ordnung, hier herrschte offensichtlich auch eine solide Kenntnis der nötigen Grundnahrungsmittel und der dazu passenden zamonischen und internationalen Würzkräuter. Salbei wuchs dort zusammen mit Zwiebelkraut und Dornendill, Septemberknofel und Zinnoberzimt, Kleinmädchenrauke und Silbersaat, Eierwurz und Korianderkraut, Kaninchenglück und Elfenranke, Peitschenpilz und Senfsalat, Panamapälmchen, krausblättrigem Petroselinum und Winterwulstling, Pantoffelblümchen und Geisterfinger.
In den Zierabteilungen wuchsen die schönsten der zamonischen Blumen mit anderen, exotischen Arten einträchtig nebeneinander. Hexenstolz und Goldprimel, Immenblatt und Kamillenkraut, Hutzenweiß und Mandragoraglocke, Korallenfarn, Engelsauge, Stiefpilzchen, Fhernhachenrose, Pfeifentulpe, Ranunkelblüte, Petersilienorchidee, Seepferdchengras, Sassafrasranke und Nattifftoffenmoos. Kokostulpe, Schwarze Susanne und
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