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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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Lungen sammelte. Ein heftiger Hustenreiz ergriff mich.

    Ich war bereit, Schluß zu machen. Ich würde einfach den Mund aufreißen und die Flut hereinlassen, alles war besser als diese Qual. Ich öffnete den Mund und atmete ein, bereit zu ertrinken.
    Aber es war kein tödliches Wasser, das meine gepeinigten Lungenflügel erfüllte, sondern klare, lebensspendende Hö- henluft.
    Das Regenwasser hatte seinen natürlichen Weg ins Freie gesucht und gefunden und mich dabei nach draußen gespült, durch eben jenen Ausgang, den die Finsterbergmade zuletzt gegraben hatte.
    Endlich war ich frei.
    Aber zu welchem Preis. Der Ausgang befand sich in zirka fünf Kilometer Höhe. Ich stürzte in die Tiefe, wie ein Fisch, der in einen Wasserfall geraten ist. Ein dünner, aber sehr langer Wasserfall. Die Fernsicht über Zamonien muß grandios gewesen sein, aber ich kam leider nicht dazu, das Panorama zu genießen. So abrupt endete mein Leben in den Finsterbergen.
    Der Übergang von meinem letzten zum neuen Leben verlief also buchstäblich fließend. Ich stürzte in die Tiefe, mittlerweile waren es noch etwa zwei Kilometer bis zum Aufschlag. Dies war eine Situation, die eine außergewöhnlich exakte Abstimmung von geistigen wie körperlichen Fähigkeiten verlangte.
    »Ölsardinen«, sagte da eine Stimme in meinem Kopf. Was?
    »Ölsardinen.«
    Das klang nach Professor Nachtigaller, aber was sollte der Quatsch mit den Ölsardinen?
    »Wissen ist Nacht«, sagte Nachtigallers Stimme.
    Jetzt waren es nur noch anderthalb Kilometer. Ich konnte erkennen, daß sich der Wasserfall direkt in einen See ergoß. Bei einem Aufprall aus dieser Höhe macht es allerdings keinen Unterschied, ob die Fläche, auf der man aufschlägt, aus Beton oder aus Wasser ist. Eigentlich ein klassischer Fall für einen Rettungssaurier. Aber es war keiner in Sicht. Vielleicht befand ich mich gerade in dem Planquadrat, das durch Macs Pensionierung unbeaufsichtigt blieb.
    »Tyrannosaurus Rex.«
    Anscheinend gab das Lexikon in meinem Kopf nur noch wirre Stichworte von sich.
    »Wissen ist Nacht!«
    Jetzt war es nur noch ein Kilometer.
    Nachtigaller hatte mit diesem Spruch immer wieder versucht, uns in alle möglichen Richtungen denken zu lassen. Was hatte er sonst noch gesagt?
    »Ölsardinen.«
    Stimmt, Ölsardinen. Ölsardinen waren stark sättigend. Sie befanden sich in Dosen. Diese Dosen mußte man öffnen. Nachtigaller hatte dazu seinen Verstand benutzt.
    »Bakterien.«
    Nachtigaller hatte mich mit seinen Intelligenzbakterien infiziert. Wollte er andeuten, daß ich zu ähnlichen Gedankenleistungen in der Lage war?
    Noch achthundert Meter, grob geschätzt.
    »Tyrannosaurus Rex.«
    Der Professor hatte sich in einen Dinosaurier verwandelt. Man kann sich also durch Gedankenkraft verwandeln. Ich sollte zum Dinosaurier werden? Was machte das für einen Sinn? Dadurch würde ich nur noch schwerer und mit noch mehr Wucht aufschlagen. Sechshundert Meter.
    »Ölsardinen.«
    Ich sollte mich in eine Sardine verwandeln! Ein Fisch, der in einen Wasserfall geraten war. Das machte schon mehr Sinn. Als Sardine würde ich den Sturz sicher überleben. Aber wie hatte Nachtigaller das gemacht«? Er hatte sieben Gehirne. Ich nur eins.
    »Wissen ist Nacht!«
    Dunkelheit. Natürlich. Bei Dunkelheit erhöht sich die Intelligenz. Ich schloß die Augen. Fünfhundert Meter.
    Ich dachte an Sardinen. Ein Schwarm von ihnen erschien vor meinem inneren Auge. Silbern funkelnd glitten sie durch den Wasserfall mit mir hinab in die Tiefe.
    Noch vierhundert Meter.
    Ich verwandelte mich, aber nicht in eine Sardine. Ich war eine Urzelle geworden, wie Nachtigaller in seinem Unterricht. Ich wuchs und wurde zum Mehrzeller, zu einem winzigen gläsernen Fisch. Schuppen wuchsen auf meiner durchsichtigen Haut, Kiemen und kräftige Flossen. Ich spürte, wie Gräten mich erfüllten. Ich atmete das Wasser wie frische Luft. Ich hatte mich endlich in eine Sardine verwandelt. Ein Ruck ging durch das Wasser, ein Orkan von Luftblasen toste um mich herum. Ich war in den See getaucht, fast ohne es zu bemerken. Ich wollte an die Oberfläche und schlug mit den Flossen, aber das waren keine Flossen, es waren wieder meine Arme. Ich tauchte auf und holte tief Luft. Offensichtlich war ich keine Sardine mehr, denn nur schwerfällig erreichte ich mit vollgesogener Kleidung und nassem Fell das Ufer.
    Ich ging an Land, wrang meine Kleidungsstücke aus und schüttelte das Wasser aus meinem Fell. Nackt und etwas klamm, aber lebendig und

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