Die 39 Zeichen - Die Rache der Romanows - Band 5
ihre gefährliche Jagd durch ganz Russland überhaupt zu einem Zeichen führen würde.
»Ich führe euch zu dem, was ihr sucht«, erklärte Natalja. »Und das nicht nur in diesem albernen Wettstreit, sondern auch darüber hinaus.« Sie bedachte die Geschwister mit einem bedeutungsvollen Blick.
Dans Kehle schnürte sich zusammen. »Sie sprechen von unseren Eltern, oder?«
Natalja klopfte mit dem Zeigefinger auf die Schreibtischplatte. Ansonsten verharrte sie regungslos. Es war, als hätten sich neunundneunzig Prozent ihres Körpers in Stein verwandelt und nur dieser eine Finger war noch beweglich. Tock, tock, tock.
Endlich, nachdem Dan schon mit jedem seiner Fingerknöchel geknackt hatte, begann Natalja zu sprechen. »Bestimmte Informationen, an die man gelangt, verändern einen für immer. Man wünscht, man könnte zurück, aber man kann es nicht. Und trotzdem gehen wir immer wieder Geheimnissen nach. Ich wollte nie an dieser verrückten Zeichensuche teilnehmen und trotzdem sitzen wir jetzt hier.« Sie zögerte. »Das Bernsteinzimmer ist in einem Gewölbe versteckt, zusammen mit anderen Geheimnissen der Lucians. Dort findet
ihr das Zeichen der Lucians, aber auch Informationen über eure Eltern.«
Natalja schüttelte den Kopf. »Grace hat schon immer gern die Fäden in der Hand gehalten, sogar noch aus dem Grab heraus. Ich rate euch dringend, euch aus dieser Sache zurückzuziehen. Wenn ihr es aber nicht tun wollt, dann verstehe ich das auch und werde euch helfen. Aber ich warne euch: Ihr werdet es mir später womöglich nicht danken.«
Natalja sah zuerst Amy an und richtete dann ihren tiefgründigen Blick auf Dan. »Ich helfe euch, weil Anastasia Romanow es so gewollt hätte und weil es richtig ist. Aber ich weiß nicht, ob euch das, was ihr finden werdet, gefallen wird.«
Amy begann hemmungslos zu weinen. Es war einfach zu viel. Hilfe, die keine Hilfe war. Eine Verbündete, die ihnen Rätsel und fragwürdige Hinweise zu ihren Eltern und zu Grace lieferte. Dan fühlte, wie der Boden unter seinen Füßen zu wanken begann. Wieder einmal. Es gab keine Zuflucht für die beiden, und niemanden, dem sie trauen konnten. Kein Zuhause, in das sie zurückkehren konnten.
Er sah Amy an und beide nickten.
»Wir wollen zum Bernsteinzimmer«, sagte Amy bestimmt.
Natalja neigte den Kopf, stand auf und griff nach ihrem langen weißen Mantel.
»Dann müssen wir uns beeilen«, mahnte sie. »Wenn Irina vor euch da ist, macht das die Sache nicht gerade leichter.«
Natalja zog eine Schublade auf und nahm einen kleinen Blechbehälter heraus. In ihm befanden sich zwei Schlüssel, die sie in eine Tasche ihres weißen Mantels steckte.
»Wisst ihr, wo meine Vorfahren ermordet wurden?«
»In einem Haus in Jekaterinburg«, antwortete Amy.
»Dort, wo jetzt die Kathedrale auf dem Blut steht. Ein furchtbarer Name, aber traurigerweise sehr passend. Die Kirche wurde viel später erbaut, aber unter ihr … dort, im Keller, wurden sie allesamt ermordet. Nur meine Mutter überlebte.«
»Und Sie bringen uns in diesem Shark dorthin?«, erkundigte sich Dan, und zum ersten Mal hellte sich seine Miene ein wenig auf.
Natalja ging zur Tür, öffnete sie einen Spalt breit und blickte den langen dunklen Flur hinab.
»Der Shark ist die schnellste Möglichkeit. Kommt.«
Dan und Amy folgten Natalja in den Gang und stiegen gemeinsam mit ihr in einen Aufzug. Dan hatte bei Shark die ganze Zeit an eine Art Schnellboot gedacht und wunderte sich nun, dass es aufwärts anstatt abwärts ging.
»Da wären wir«, verkündete Natalja.
»Das ist der Shark?«, staunte Amy, doch Dan rannte schon darauf zu.
»Der schnellste Helikopter Russlands. Er kommt auf 480 Stundenkilometer.«
Der Shark war doppelt so groß wie ein normaler Hubschrauber und komplett schwarz. Sein Ruder sah aus wie eine Haiflosse.
»Unmöglich!«, rief Dan. »480 Stundenkilometer! Das ist Weltrekord!«
»Viele Weltrekorde dieser Art sind schon vor langer Zeit gebrochen worden«, meinte Natalja lächelnd. »Wir Lucians behalten die besten Spielzeuge gerne für uns.«
Dan rannte im Kreis um den Shark herum und versuchte, eine der Türen aufzureißen.
»Er ist leicht zu begeistern, was?«, fragte Natalja.
»Sie haben ja keine Ahnung«, entgegnete Amy.
Natalja legte Amy den Arm um die Schultern und zog sie an sich. »Du bist eine erstaunliche junge Frau. Grace wäre stolz auf dich.«
Amy schenkte ihr ein erschöpftes Lächeln.
»Ihr müsst jetzt gehen«, mahnte Natalja.
»Bitte?
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