Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte
Jahren sammelt und bewahrt die Menschheit Wissen und Kultur in Bibliotheken. Ihre Zahl ist riesig, ihr Bau und ihr Unterhalt nicht selten auch eine Frage des Prestiges. Vor wenigen Jahren erst wurde in Ägypten mit großem Pomp und als PR-Aktion des Staates eine Bibliothek »wiedereröffnet«, die trotz ihres Untergangs vor vielen Jahrhunderten zu den bekanntesten der Welt gehört und als die wichtigste der Antike gilt: die Bibliothek von Alexandria. Über das traurige Schicksal der antiken Bibliothek gibt es verschiedene Versionen: Mal soll sie 47 v. Chr. im Alexandrinischen Krieg einem Brand zum Opfer gefallen sein, als Julius Caesar Kleopatra als Königin von Ägypten wieder einsetzte. In anderen Erklärungen heißt es, die Bibliothek sei der Christianisierung Alexandrias Ende des 4. Jahrhunderts zum Opfer gefallen. Eine weitere Version macht den Islam für die Zerstörung der Bibliothek verantwortlich: Als der Feldherr Amr 642 n. Chr. Alexandria eroberte, soll Kalif Omar I. entschieden haben, den gesamten Bestand der Bibliothek zu vernichten. Die Begründung war ebenso einfach wie folgenreich: Die Bücher, die dem Koran widersprachen, gehörten ohnehin vernichtet. Alle anderen aber waren überflüssig, weil der Koran ausreiche, und hatten ihr Existenzrecht mithin ebenfalls eingebüßt. Ein halbes Jahr lang seien die 4000 Badestuben der Stadt mit den Rollen befeuert worden. All diese Erklärungen erscheinen mehr oder weniger glaubwürdig. Wer aber ist wirklichverantwortlich für dieses Verbrechen am kulturellen Erbe der Antike?
Die hellenistischen Herrscher verstanden seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. die Bibliothekskultur als Teil einer umfassenden Kulturpolitik. In Alexandria wurden unter den Ptolemäern gleich zwei bedeutende Büchersammlungen begründet: eine kleinere Bibliothek im Tempel des Serapis, die über 40
000 Buchrollen verwahrte, und die erheblich größere, bis heute legendäre Bibliothek im Museion, die mehr als eine halbe Million Rollen besaß. Das ist eine bemerkenswerte Sammlung, zumal die große Mehrheit der Buchrollen nicht nur ein Werk, sondern mehrere enthielten. Das Museion war eine Akademie nach dem Vorbild der aristotelischen Schule in Athen und widmete sich den Wissenschaften. In der stetig wachsenden Büchersammlung konnten die Gelehrten der Akademie das gesammelte Wissen der damaligen Zeit studieren.
Das Museion und seine Bibliothek hatte Ptolemaios I. Soter um 300 v. Chr. gegründet; sie lag im Palastviertel und wurde von seinem Nachfolger noch erheblich erweitert. Der Ehrgeiz der ptolemäischen Könige bestand darin, das gesamte Wissen der Menschheit zusammenzutragen: »Alle Bücher aller Völker der Erde« sollten es sein. Dies gehörte zum Programm der Hellenisierung des uralten ägyptischen Reiches und der übrigen Teile des Herrschaftsgebietes der Ptolemäer. Das Kalkül war einfach, aber klar: Um fremde Völker zu beherrschen, musste man ihre Kultur verstehen, dafür wiederum musste man ihre Bücher kennen, die aus diesem Grund ins Griechische übersetzt werden sollten. Ptolemaios I. schrieb außerdem an die Fürsten der Welt, ihm Bücher zu schicken und ihm damit den Bestand seiner Bibliothek erweitern zu helfen.
Daneben durften es aber auch krumme Wege sein, um die Bücher nach Ägypten zu holen. Zur Erwerbspolitik der Bibliothekgehörte zum Beispiel, dass die Bücher von in Ägypten eintreffenden Schiffen beschlagnahmt wurden, um sie der Bibliothek zuzuschanzen. Die Besitzer wurden mit oft schlampig erstellten Abschriften abgespeist. Besonders dreist ging Ptolemaios III. ein paar Jahrzehnte nach Gründung der Sammlung vor: Er lieh in Athen gegen ein Pfand die offiziellen Ausgaben der Stadt der Tragödien der klassischen Dramatiker Aischylos, Sophokles und Euripides aus und gab sie nicht mehr zurück. Selbst das stolze Athen musste sich mit einer zweitklassigen Abschrift begnügen. Aber nicht alle Bücherrollen der Bibliothek waren solch zweifelhaften Ursprungs; viele fanden auf akzeptablen Wegen ihren Platz im legendären Museion. Agenten im Dienste der Bibliothek kauften im ganzen Reich Bücher, die sie nach Alexandria schickten. So oder so, die Sammlung wuchs, und die Bibliothek von Alexandria wurde zur größten und wichtigsten der Welt.
Die Bibliothek beschäftigte sich aber nicht nur mit dem Sammeln von Büchern. Bedeutende Gelehrte leiteten sie, und unter ihnen wurden Bibliografien, Kataloge, Kommentare und kritische Textausgaben erstellt. Wer in der Bibliothek
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