Die 7 Suenden
einen Haftbefehl für Hans Vetter«, sagte ich und streckte ihm den richterlichen Beschluss ebenso entgegen wie meine Pistole.
Weinstein rief: » Hans ist gar nicht hier .«
Eine weiße Studentin mit schwarzen Rastalocken und einem Ring in der Unterlippe streckte den Kopf hinter einem umgekippten Tisch hervor. »Ich habe heute Morgen mit Hans gesprochen«, sagte sie. »Er hat gesagt, dass er weggeht.«
»Sie haben ihn heute Morgen noch gesehen?«, fragte ich nach.
»Ich habe ihn auf seinem Handy angerufen.«
»Hat er gesagt, wo er hinwill?«
Sie schüttelte den Kopf. »Er hat es mir auch bloß deshalb gesagt, weil ich mir eigentlich sein Auto ausleihen wollte.«
Die Befragung Weinsteins und seiner Studenten überließ ich den Marshals, doch als Conklin und ich das Gebäude verließen, da spürte ich, wie der vermeintlich feste Boden unter meinen Füßen zu zittern anfing.
Hawks Tod gestern Abend hatte Pidge in den Untergrund getrieben.
Er konnte mittlerweile überall auf der Welt sein.
Auf dem Parkplatz gegenüber des Gates Building standen ein paar Jugendliche in Grüppchen beisammen, andere gingen wie betäubt herum. Wieder andere lachten angesichts der unerwarteten Aufregung. Die Kamerahubschrauber diverser Nachrichtensender kreisten über unseren Köpfen und berichteten der Welt von einem Polizeieinsatz, der als kompletter Fehlschlag geendet hatte.
Ich rief Jacobi an, hielt mir das eine Ohr zu und gab ihm einen zusammenfassenden Bericht. Ich wollte mir nicht anmerken lassen, wie groß meine Angst davor war, dass wir es vermasselt hatten und Vetter immer noch auf freiem Fuß war. Ich versuchte möglichst gelassen zu klingen, aber Jacobi ließ sich nicht täuschen.
Ich hörte ihn in mein Ohr atmen, während er sich meine Worte anhörte.
Dann sagte er: »Was du mir also sagen willst, Boxer, ist, dass die Taube ausgeflogen ist.«
116
Als wir unseren Streifenwagen auf einem frisch gemähten Rasenstück zum Stehen brachten, schob sich das Sheriff’s Department mitsamt dem dazugehörigen Sondereinsatzkommando direkt neben uns. Direkt vor uns lag ein dreistöckiges Haus im Kolonialstil, nur wenige Kilometer vom Gelände der Stanford University entfernt. Die Hausfassade war bis ins Detail originalgetreu erhalten, und die umgebenden Wohnhäuser machten alle einen erstklassigen Eindruck. Auf dem Briefkasten stand der Name VETTER.
Und in der Einfahrt parkte Hans Vetters Auto.
Um uns herum quakten Walkie-Talkies, Funkfrequenzen wurden freigeschaltet. Erste Absperrungen wurden errichtet, und die Sondereinsatzkräfte nahmen ihre Positionen ein. Conklin und ich stiegen aus dem Streifenwagen. Ich sagte: »Das Ganze hier erinnert mich aber stark an die Häuser, die Hawk und Pidge abgefackelt haben.«
Conklin kauerte zum Schutz hinter einer Wagentür und sprach in sein Megafon: »Vetter. Sie sitzen in der Falle. Kommen Sie mit erhobenen Händen raus. Bringen wir die ganze Geschichte friedlich zu Ende.«
Hinter den Fenstern im ersten Stock bewegte sich etwas. Das war Vetter, der von Zimmer zu Zimmer ging. Anscheinend brüllte er irgendjemanden an, aber wir konnten nicht verstehen, was er sagte.
»Mit wem redet er denn da?«, sagte Conklin über das Dach des Streifenwagens zu mir.
»Das muss seine Mutter sein, verdammt. Sie muss da drin sein.«
Da wurde im Inneren des Hauses ein Fernseher eingeschaltet und auf volle Lautstärke gestellt. Ich konnte die Stimme eines Ansagers hören. Er beschrieb genau die Szene, die wir hautnah miterlebten . Der Ansager sagte: »Ein polizeitaktischer Einsatz, der vor etwa zwei Stunden an der Stanford University seinen Anfang genommen hat, hat sich mittlerweile in das gehobene Wohnviertel Mountain View verlagert, in die Mill Lane...«
»Vetter? Hören Sie mich?« Richs Stimme dröhnte durch das Megafon.
Schweißtropfen rannen mir die Flanken hinunter. Die letzten Seiten in den Sieben Sünden hatten eine Schießerei mit der Polizei gezeigt. Ich rief mir die Bilder noch einmal ins Gedächtnis: blutige Körper auf dem Boden, Pidge und Hawk auf der Flucht. Mit einer Geisel als Schutzschild.
Conklin und ich besprachen uns mit dem Einsatzleiter des Sonderkommandos, einem rötlich blonden ehemaligen US-Marinesoldaten namens Pete Bailey, und legten einen Plan fest. Dann gingen wir zügig zum Haus und postierten uns links und rechts der Haustür, um Vetter ergreifen zu können, sobald er die Tür aufmachte. Das Sondereinsatzkommando machte sich bereit, sofort auf den Kerl zu
Weitere Kostenlose Bücher