PR TB 010 Die Goldenen Menschen
PROLOG
Der Mann war noch nicht sehr alt; knapp sechzig Jahre ungefähr,
aber seine Augen hatten mehr gesehen als die anderer Menschen. Und
der Verstand hinter der braunen Stirn hatte aus allem, was diese
Augen gesehen hatten, eine Lehre gezogen. So kam es, daß dieser
Mann auch viel mehr wußte als andere Menschen. Er verkaufte
Zeitungen in Terrania.
Ein schwerer Wagen hielt neben dem grasbewachsenen Randstreifen.
Ein Mädchen klappte die Tür auf, schwang sich heraus und
kam schnell auf den Laden zu. Der Mann legte die beiden Zeitungen
bereit und begann zu lächeln. Er kannte nicht einmal den Namen
dieses Mädchens - aber er freute sich jeden Morgen, wenn er sie
sah.
„Hier", sagte er. „Die Tageszeitung und die
graphische Fachzeitschrift. Letztere ist heute neu."
Das Mädchen lächelte ihn an.
„Danke", sagte sie. „Das ist nett, wie Sie an
Ihre Kunden denken."
„Schließlich lebe ich davon."
Seit vier Stunden schien die Sonne auf Terrania. Ihre Strahlen
drangen jetzt, vorbei an den Hochhäusern und an den Ästen
hoher Bäume, bis hierher auf die Straße. Sie berührten
das blauschwarze Haar des Mädchens, und der Mann lächelte
wieder.
„Sagen Sie ...", begann der Zeitungsverkäufer.
„Ich möchte Sie etwas fragen. Fassen Sie es bitte nicht
als Indiskretion auf."
„Bitte, fragen Sie", sagte das Mädchen verwundert.
„Vor zehn Jahren - ich erinnere mich deutlich daran, weil
ich damals unter den Posten war, die an den Eingängen standen
und präsentierten - startete hier ein Schiff. Es war ein altes
Springerschiff, voller Studenten, lauter reizenden jungen Leuten.
Arbeiten Sie nicht in der Administration Reginald Bulls?"
Das Mädchen nickte. Sie war sehr ernst geworden.
„Ja. Ich arbeite immer noch dort."
„Dieses Schiff startete mit einem
Crest-Gedächtnispreisträger an Bord. Ich habe bis heute
vergeblich in meinen Zeitungen, von denen ich weiß Gott genug
kenne ...", er lächelte etwas verloren, „ ... etwas
über dieses Schiff und die Insassen gesucht. Ich fand nichts.
Wissen Sie etwas darüber?"
Das Mädchen wirkte plötzlich älter und reifer. Sie
blickte an dem braungebrannten Mann vorbei auf ein Bild im
Hintergrund, das eine farbige Sternenformation zeigte.
„Nein", sagte das Mädchen. „Ich weiß
nichts davon. Niemand weiß seit zehn Jahren etwas von dem
Schiff. Es hieß JUMPING KANGAROO. Dieses Schiff und noch viele
andere sind seither verschollen."
„Ich habe es vermutet - sagen Sie: Einer der Männer,
ich glaube, er hieß Coln oder so ähnlich, hatte sich hier
ernsthaft verliebt. Ich traf ihn einmal in der Raumschiffswerft. Es
war einer der verwegensten und feinsten Kerle, die ich kannte. Stimmt
das?"
Das Mädchen nickte ernst.
„Nun, ja. Aber warum interessieren Sie sich so stark dafür?"
Der Mann lächelte wieder, verloren und etwas traurig.
„Manchmal werden Männer zu redseligen Wesen. Ich sitze
seit drei Jahren hier und kann ohne meinen Spezialstuhl nicht einmal
aus dieser Kammer hinaus. Ich muß mit anderen Menschen
sprechen, sonst vertrockne ich innerlich. Ich habe sonst nichts außer
Schallplatten und Fernsehen. Verstehen Sie?"
Das Mädchen sah ihn stumm an, dann nickte sie, immer noch
schweigend. Der Mann war verkrüppelt.
„Sie haben recht", sagte sie schließlich. Ihre
Augen blickten wieder an dem Gesicht des Mannes vorbei auf das
Titelblatt der Zeitschrift.
„Jared Coln verliebte sich vor zehn Jahren hier in Terrania.
Als das Schiff abflog, versprach er, wiederzukommen. Er kam bis heute
nicht. Weder er noch jemand aus dem Schiff. Niemand weiß, ob
die KANGAROO zerschellt ist oder notgelandet. Wenn Coln noch lebt,
wird er eines Tages hierherkommen."
„Was wäre der Mensch ohne seine Träume",
antwortete der Mann. „Sie wissen genau Bescheid. Es tut mir
leid - was sollte ich anderes sagen. Was sagen Perry Rhodan und
Reginald Bull zu diesen Dingen?" Sie bedauern, können aber
nichts ändern."
"Woher wissen Sie diese Einzelheiten, Miß ...?"
fragte der Mann.
Das Mädchen lächelte etwas müde.
,,Ich bin dieses Mädchen", sagte sie, „das sich in
Coln verliebte und immer noch wartet. Seit zehn Jahren warte ich auf
die JUMPING KANGAROO. Und wenn es sein muß, noch länger."
Sie wandte sich ab, und der Mann sah ihr nach.
1.
Einer von uns muß es schließlich tun ...
Warum nicht ich?
Jedenfalls muß es ein Mensch sein, der sich trotz aller
Vorkommnisse und aller kleinen Probleme, die hier laufend entstehen,
einen klaren Verstand bewahrt hat.
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