Die 7 Suenden
schießen, falls irgendetwas schiefgehen sollte.
Als ich mich dem Haus näherte, roch ich Rauch.
»Brennt es da etwa?«, sagte ich zu Rich. »Riechst du das auch?«
»Ja. Will dieses beknackte Arschloch etwa das Haus abfackeln?«
Ich hörte immer noch den Fernseher im Inneren des Hauses dröhnen. Der Nachrichtensprecher wurde mit Bildern aus dem Hubschrauber versorgt und wusste daher über alles Bescheid, was sich auf dem Boden tat. Es war naheliegend, dass Vetter sich das anschaute. Und falls die Kamera auf Rich
und mich gerichtet war, dann kannte Vetter sogar unseren genauen Standort.
Captain Bailey rief mich auf dem Handy an. »Sergeant, wir gehen jetzt rein.« Doch noch bevor er den Befehl geben konnte, ließ sich eine Frauenstimme hinter der Haustür vernehmen.
»Nicht schießen. Ich komme raus.«
»Nicht schießen«, rief ich Bailey zu. »Geisel kommt raus.«
Der Türgriff drehte sich.
Die Tür ging auf, und grauer Rauch wirbelte in den trüben, bewölkten Tag hinaus. Das Schnurren eines Elektromotors war zu hören, und dann sah ich unterhalb der blassgrauen Rauchwolke einen Rollstuhl ruckartig näher kommen und schließlich auf der Türschwelle stehen bleiben.
Die Frau im Rollstuhl wirkte klein und gebrechlich, vielleicht querschnittgelähmt. Sie hatte sich einen langen, gelben Schal um den Kopf geschlungen, der ihr über die Schultern fiel und sich um ihre knochigen Knie bauschte. Ihre Miene war verhärmt, und an den Fingern ihrer Hand glitzerten die Diamanten.
Sie blickte mich aus verängstigten blauen Augen an.
» Nicht schießen «, flehte sie. »Bitte schießen Sie nicht auf meinen Sohn!«
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Ich starrte in Mrs. Vetters eisblaue Augen, bis sie den Bann brach. Sie wandte den Kopf zur Seite und rief: »Hans, tu, was sie sagen!« Bei dieser Bewegung verrutschte der gelbe Schal, und mein Herz machte einen Sprung, als ich erkannte, dass zwei Menschen in diesem Rollstuhl saßen.
Mrs. Vetter saß auf dem Schoß ihres Sohnes.
» Hans, tu, was sie sagen «, äffte Vetter sie nach.
Der Rollstuhl fuhr auf den Rasen. Jetzt konnte ich alles klar und deutlich erkennen. Vetters riesige rechte Pranke lag auf dem Steuerungshebel. Seinen linken Arm hatte er quer über den Körper seiner Mutter gelegt und drückte ihr die Mündung einer abgesägten doppelläufigen Schrotflinte an die weiche Stelle unterhalb des Kinns.
Ich ließ meine Glock 9 sinken und zwang mich, meine Stimme sehr viel ruhiger klingen zu lassen, als mir eigentlich zumute war.
»Hans, ich bin Sergeant Boxer, San Francisco Police Department. Wir wollen nicht, dass irgendjemand verletzt wird. Also lassen Sie bitte die Waffe fallen, ja? Es gibt eine Möglichkeit, diese ganze Situation ohne Blutvergießen zu Ende zu bringen, und genau das möchte ich erreichen. Lassen Sie die Waffe fallen, und ich werde nicht schießen.«
»Ja, genau«, erwiderte Vetter lachend. »Jetzt hört mir mal gut zu, alle beide«, fuhr er dann fort und deutete mit dem Kinn zuerst auf mich, dann auf Conklin. »Stellt euch zwischen meine Mom und die Bullen. Und jetzt Waffen fallen lassen, sonst gibt es gleich ein paar Tote.«
Ich hatte keine Angst, ich hatte fürchterlichen Schiss.
Also warf ich meine Pistole auf den Boden, und Conklin tat es mir nach. Wir stellten uns vor den Rollstuhl und schützten so Mrs. Vetter und ihren niederträchtigen Sprössling vor dem Sondereinsatzkommando am anderen Ende der Rasenfläche. Meine Haut kribbelte. Mir war gleichzeitig kalt und heiß. Der Rauch um uns herum wurde immer dichter, und wir waren Gefangene in einem grässlichen Schauspiel.
Mit einem dumpfen BUUMM brachen die Flammen durch die Fenster an der Vorderfront, als das Wohnzimmer Feuer gefangen hatte. Die Explosion ließ einen Glassplitterhagel im Vorgarten niedergehen, und es regnete Funken auf unsere Köpfe. Conklin streckte beide Hände aus, damit Vetter sie sehen konnte.
Er rief: »Vetter, wir haben gemacht, was du gesagt hast. Und jetzt lass die verdammte Waffe fallen, Mann . Ich halte mein Wort. Wir schützen dich, wir stellen uns vor dich, damit dir nichts geschehen kann. Aber leg die Waffe nieder!«
Jetzt war das Grollen einer Rauchgasexplosion zu hören und anschließend die heulenden Sirenen der näher kommenden Feuerwehrautos. Vetter wollte nicht aufgeben. Nicht, wenn ich Recht hatte und das wilde Glimmen in seinen Augen Starrsinnigkeit signalisierte.
Doch Pidge hatte sich keinen Notausgang offen gelassen.
Was, zum Teufel, hatte er vor?
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Vetter
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