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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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sich neue Verletzungen, Verstümmelungen und Schmerzen zu holen und ein einfaches Holzkreuz über ihrem Grab zu erwerben, auf dem noch nach Jahren in den traurigen Ebenen Ostgaliziens in Wind und Regen eine verblaßte österreichische Soldatenmütze mit verrostetem »Franzl« flattern sollte; auf ihr wird sich von Zeit zu Zeit ein alter, trauriger Rabe niederlassen und der einstigen fetten Gelage und des unendlichen gedeckten Tisches voll wohlschmeckender Leichen und Pferdekadaver gedenken. Wird daran denken, wie er just unter so einer Kappe, wie der, auf der er jetzt sitzt, den schmackhaftesten Bissen fand – menschliche Augen.
    Einer von diesen Leidenskameraden, der nach einer Operation aus dem Militärlazarett entlassen worden war, in schmutziger Uniform mit Spuren von Blut und Kot, setzte sich zu Schwejk. Er war irgendwie eingeschrumpft, abgemagert, traurig. Er legte ein kleines Paket auf den Tisch, zog eine zerrissene Geldbörse aus der Tasche und überzählte sein Geld.
    |246| Dann schaute er Schwejk an und fragte: »Magyarul?«
    »Ich bin Tscheche, Kamerad«, erwiderte Schwejk, »willst du trinken?«
    »Nem tudom, barátom.« 1
    »Das macht nichts, Kamerad«, nötigte ihn Schwejk, sein volles Glas vor den traurigen Soldaten stellend, »trink nur ordentlich.«
    Der Soldat begriff, trank, dankte: »Köszönöm, szívesen« 2 und fuhr fort, den Inhalt seiner Geldbörse zu untersuchen. Zum Schluß seufzte er; Schwejk begriff, daß der Magyar sich gern ein Bier geben lassen würde und nicht genug Geld hatte; deshalb bestellte er ihm eines, worauf der Magyar abermals dankte und versuchte, Schwejk mit Hilfe von Grimassen etwas zu erklären, indem er auf seinen durchschossenen Arm wies und in einer internationalen Sprache sagte: »Pif, paf, puz!«
    Schwejk schüttelte teilnahmsvoll den Kopf, und der Rekonvaleszent teilte ihm noch mit, während er die Linke einen halben Meter hoch über die Erde hielt und dann drei Finger hob, daß er drei kleine Kinder habe.
    »Nintsch ham, nintsch ham«, fuhr er fort, womit er sagen wollte, daß sie zu Hause nichts zu essen hatten, und trocknete sich die Augen, aus denen Tränen flossen, mit dem schmutzigen Ärmel seines Militärmantels, in den die Kugel, die ihm für den magyarischen König in den Leib gefahren war, ein Loch gerissen hatte.
    Es war nicht überraschend, daß Schwejk bei einer solchen Unterhaltung allmählich nichts von dem Fünfer übrigblieb und daß er sich langsam, aber sicher von Budweis abschnitt, denn mit jedem Glas Bier, das er für sich oder den magyarischen Rekonvaleszenten bestellte, verlor er immer mehr die Möglichkeit, eine Soldatenfahrkarte lösen zu können.
    Wiederum passierte ein Zug nach Budweis die Station, und Schwejk saß fortwährend beim Tisch und hörte zu, wie der |247| Magyar sein »Pif, paf, puz! Három, gyermek, nintsch ham, éljen!« 3 wiederholte.
    Das letzte sagte der Soldat, wenn Schwejk mit ihm anstieß.
    »Trink nur, Junge, magyarischer«, antwortete Schwejk, »sauf, ihr möchtet uns nicht so bewirten …«
    Am Nebentisch sagte ein Soldat, daß die Magyaren, als das tschechische 28. Regiment nach Szegedin gekommen sei, mit aufgehobenen Händen auf sie gezeigt hatten.
    Das war heilige Wahrheit, aber der Sprecher fühlte sich durch das, was später eine gewöhnliche Erscheinung bei allen tschechischen Soldaten war und was die Magyaren schließlich selbst taten, als die Balgerei im Interesse des ungarischen Königs ihnen zu gefallen aufhörte, offenbar beleidigt.
    Er setzte sich ebenfalls zu Schwejk und erzählte, wie sie den Magyaren in Szegedin, zugesetzt und sie aus einigen Wirtshäusern herausgeprügelt hatten. Dabei erklärte er anerkennend, daß die Magyaren sich aufs Raufen verstehen und daß er einen Messerstich in den Rücken erhalten habe, so daß man ihn in die Etappe zur Behandlung schicken mußte.
    Jetzt aber, nach seiner Rückkehr, würde der Hauptmann von seinem Bataillon ihn wahrscheinlich einsperren lassen, denn er habe keine Zeit mehr gehabt, dem Magyaren den Stich, wie sichs gebührt, zurückzugeben, damit der Lump auch was davon habe und die Ehre des ganzen Regiments gerettet sei.
    »Ihre Dokumente, waschi dokument?« So hübsch redete Schwejk der Kommandant der Militärkontrolle, ein von vier Soldaten mit Bajonetten gefolgter Feldwebel, in gebrochenem Tschechisch an: »Ich seh Sie sitzen, nicht fahren, sitzen, trinken, fort trinken!«
    »Ich hab keine, milácku 4 !« antwortete Schwejk, »Herr Oberlajtnant Lukasch,

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