Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
aufgezählt war, was ein normaler Mensch alles ham soll. Mir is nie im Leben eingefalln, daß ein kahlköpfiger |239| Herr Generalmajor überhaupt existiert. Das is, wie man sagt, ein tragischer Irrtum, der jedem passieren kann, wenn einer eine Bemerkung macht und der andre sich gleich an sie klammert. Da hat uns mal vor Jahren der Schneider Hyvl erzählt, wie er aus dem Ort, wo er in Steiermark geschneidert hat, über Leoben nach Prag gefahren is und einen Schinken mitgehabt hat, was er sich in Marburg gekauft hat. Wie er so im Zug fährt, hat er sich gedacht, daß er überhaupt der einzige Tscheche zwischen den Passagieren is, und wie er bei Sankt Moritz angefangen hat, den ganzen Schinken anzuschneiden, so hat der Herr, der gegenüber gesessen is, angefangen, auf den Schinken verliebte Augen zu machen, und der Speichel hat angefangen ihm ausn Maul zu laufen. Wie der Schneider Hyvl das gesehen hat, hat er auf tschechisch laut zu sich gesagt: ›Das möchtest du fressen, du Mistvieh du.‹ Und der Herr antwortete ihm auf tschechisch: ›Freilich möcht ichs fressen, wenn du mir was geben möchtest.‹ So ham sie den Schinken zusamm aufgefressen, bevor sie nach Budweis gekommen sind. Der Herr hat Adalbert Rous geheißen.«
Oberleutnant Lukasch blickte Schwejk an und verließ das Kupee. Kaum daß er wieder auf seinem alten Platz saß, zeigte sich in der Tür das aufrichtige Gesicht Schwejks.
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, wir sind in fünf Minuten in Tabor. Der Zug hält fünf Minuten. Befehlen Sie nicht, was zum Essen zu bestellen? Vorjahren ham sie hier sehr gute …«
Der Oberleutnant sprang wütend auf und sagte auf dem Gang zu Schwejk: »Ich mach Sie noch einmal darauf aufmerksam, je weniger Sie sich zeigen, desto glücklicher bin ich. Am liebsten wäre mir, wenn ich Sie überhaupt nicht mehr sehen würde, und sein Sie versichert, daß ich dafür sorgen werde. Kommen Sie mir überhaupt nicht unter die Augen. Verlieren Sie sich aus meinem Gesichtskreis, Sie Rindvieh, Sie Blödian.«
»Zu Befehl, Herr Oberlajtnant.«
Schwejk salutierte, machte mit militärischem Schritt kehrt und ging ans Ende des Ganges, wo er sich im Winkel auf den |240| Sitz des Schaffners setzte und mit einem Eisenbahner ein Gespräch anknüpfte: »Kann ich Sie, mit Verlaub, etwas fragen?
Der Eisenbahner, der offenbar keine Lust zu einem Gespräch hatte, nickte schwach und apathisch mit dem Kopf.
»Zu mir«, redete Schwejk drauflos, »pflegte ein braver Mensch zu kommen, ein gewisser Hofmann, und der hat immer behauptet, daß die Alarmsignale nie was taugen, kurz und gut, daß sie, wenn man diesen Griff da zieht, nicht funktionieren. Ich hab mich, aufrichtig gesagt, nie darum gekümmert, aber wenn mir schon dieser Alarmapparat hier ins Aug gefallen is, so möcht ich gern wissen, woran ich bin, wenn ichs zufällig mal brauchen sollt.«
Schwejk stand auf und trat mit dem Eisenbahner zu der Notbremse: »In Gefahr.«
Der Eisenbahner hielt es für seine Pflicht, Schwejk zu erklären, worin der ganze Mechanismus des Alarmapparates besteht: »Das hat er Ihnen richtig gesagt, daß man diesen Griff ziehn muß, aber er hat gelogen, daß es nicht funktioniert. Immer bleibt der Zug stehn, weil der Apparat über alle Waggons mit der Lokomotive verbunden is. Die Notbremse muß funktionieren.«
Beide hatten dabei die Hände auf dem Griff der Bremse, und es ist wahrlich ein Rätsel, wie es geschah, daß sie daran zogen und der Zug stehenblieb. Sie konnten auch nicht darüber einig werden, wer es eigentlich getan und das Alarmsignal gegeben hatte.
Schwejk behauptete, er habe es nicht sein können, er habe es nicht getan, er sei kein Gassenbub.
»Ich wunder mich selbst darüber«, sagte er gutmütig zu dem Schaffner, »warum der Zug plötzlich stehengeblieben is. Er fährt, und auf einmal steht er. Mich verdrießts mehr als Sie.«
Irgendein ernster Herr ergriff die Partei des Eisenbahners und behauptete, er habe gehört, wie der Soldat als erster ein Gespräch über Alarmsignale begonnen habe.
Schwejk hingegen redete ununterbrochen von seiner Ehrlichkeit, er habe kein Interesse an einer Zugverspätung, denn er fahre in den Krieg.
|241| »Der Herr Stationsvorstand wird es Ihnen schon klarmachen«, entschied der Schaffner. »Das wird Sie zwanzig Kronen kosten.«
Inzwischen konnte man die Reisenden aus den Waggons kriechen sehen, der Zugführer pfiff, eine Frau rannte erschrocken mit einem Reisekoffer über die Strecke in die Felder.
»Das
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