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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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Leutnant stöhnte, fuhr Schwejk fort: »Also ich hab diesem kahlköpfigen Herrn Generalmajor nicht gefalln und bin vom Oberleutnant Lukasch, bei dem ich Bursch bin, hinaus auf den Gang geschickt worn. Aufm Gang bin ich dann beschuldigt worn, daß ich das gemacht hab, was ich Ihnen schon gesagt hab. Bevor man die Sache in Ordnung gebracht hat, bin ich allein am Perron geblieben. Der Zug war weg, der Herr Oberlajtnant samt den Koffern und mit allen seinen und meinen Dokumenten war auch weg, und ich bin hier ohne Dokumente klebengeblieben wie ein Waisenknabe.«
    Schwejk schaute den Leutnant rührend und sanft an; es ward nunmehr vollkommen klar, daß der Kerl, der den Eindruck eines Idioten von Geburt an machte, die volle Wahrheit sprach.
    Der Leutnant zählte Schwejk alle Züge auf, die nach dem Schnellzug nach Budweis abgefahren waren, und richtete an ihn die Frage, warum er diese Züge versäumt habe.
    »Melde gehorsamst, Herr Lajtnant«, antwortete Schwejk gutmütig lächelnd, »daß mir unterdessen, was ich auf den nächsten Zug gewartet hab, das Malör passiert is, daß ich am Tisch ein Bier nach dem andern getrunken hab.«
    So einen Ochsen hab ich noch nicht gesehn, dachte der Leutnant, er gesteht alles ein. Wie viele hab ich schon hier gehabt, und jeder hat geleugnet, und der hier sagt ruhig: »Ich habe alle Züge versäumt, weil ich ein Bier nach dem andern getrunken hab.«
    |253| Diese Erwägungen faßte er in einem Satz zusammen: »Sie sind degeneriert, Mensch. Wissen Sie, was das ist, wenn man von jemandem sagt, daß er degeneriert ist?«
    »Bei uns an der Ecke Na Bojischti und Katarinengasse, melde gehorsamst, Herr Lajtnant, war auch ein degenerierter Mensch. Sein Vater war ein polnischer Graf und die Mutter war Hebamme. Er hat die Straßen gekehrt, und anders hat er sich in den Butiken nicht sagen lassen als Herr Graf.«
    Dem Leutnant schien es angezeigt, die ganze Sache auf irgendeine Art zu beenden, deshalb sagte er nachdrücklich: »Also ich sage Ihnen, Sie Dummkopf, Sie Esel, Sie werden zur Kassa gehn, eine Karte kaufen und nach Budweis fahren. Wenn ich Sie hier noch erblicke, werde ich mit Ihnen verfahren wie mit einem Deserteur. Abtreten!«
    Da Schwejk sich nicht rührte und die Hand ununterbrochen am Schild der Mütze hielt, brüllte der Leutnant: »Marsch hinaus, haben Sie nicht gehört, abtreten? Korporal Palanek, führen Sie diesen blöden Kerl zur Kassa und kaufen Sie ihm eine Karte nach Budweis!«
    Korporal Palanek erschien bald darauf abermals in der Kanzlei. Durch die halbgeöffnete Tür guckte hinter Palanek das gutmütige Gesicht Schwejks hinein.
    »Was gibts schon wieder?«
    »Melde gehorsamst, Herr Lajtnant«, flüsterte Korporal Palanek geheimnisvoll, »er hat kein Geld für die Bahn und ich auch nicht. Umsonst will man ihn nicht fahren lassen, weil er nicht die Militärdokumente hat, daß er zum Regiment fährt.« Der Leutnant ließ nicht lange auf seine salomonische Lösung dieser traurigen Frage warten.
    »Also soll er zu Fuß gehn«, entschied er, »soll man ihn beim Regiment einsperren, weil er sich verspätet hat; wer wird sich hier mit ihm abgeben.«
    »Es nützt nichts, Kamerad«, sagte Korporal Palanek zu Schwejk, als er aus der Kanzlei trat, »du mußt zu Fuß nach Budweis gehn, mein Lieber. Wir ham dort im Wachzimmer einen Laib Kommißbrot, den wern wir dir auf den Weg mitgeben.«
    |254| Und eine halbe Stunde später, nachdem sie Schwejk noch mit schwarzem Kaffee bewirtet und ihm nebst dem Kommißbrot auch ein Paket Militärtabak auf den Marsch zum Regiment mitgegeben hatten, verließ Schwejk Tabor in dunkler Nacht, durch die sein Gesang erscholl. Er sang ein altes Soldatenlied:
    Als wir nach Jaromĕř zogen,
    glaubt nur nicht, es sei erlogen …
    Und der Teufel weiß, wie es geschah, daß der brave Soldat Schwejk statt nach Süden gegen Budweis ununterbrochen geradewegs gegen Westen marschierte.
    Er schritt, in seinen Militärmantel gehüllt, im Frost über die verschneite Landstraße, wie der Letzte von Napoleons Garde, als sie von Moskau zurückkehrte, nur mit dem Unterschied, daß er lustig sang:
    Ich ging fröhlich vor die Stadt,
    in die grünen Wälder.
    Und in den verschneiten Wäldern, in der nächtlichen Stille erscholl brausend das Echo, daß in den Dörfern die Hunde zu bellen begannen.
    Als ihn das Singen nicht mehr freute, setzte sich Schwejk auf einen Schotterhaufen und zündete sich die Pfeife an; und als er nicht mehr müde war, zog er weiter, neuen Abenteuern,

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