Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Redereien ohne Ende. Hören Sie nur zu, wie man dort unten am Tisch über Amerika spricht.«
Vom andern Ende des Tisches ließ sich eine Stimme vernehmen: »Amerika kann sich nicht in den Krieg einmengen. Die Amerikaner und Engländer sind bis aufs Messer verfeindet. Amerika ist nicht auf einen Krieg vorbereitet.«
Oberst Schröder seufzte: »Das ist das Gewäsch der Reserveoffiziere. Die hat uns der Teufel auf den Hals gehetzt. So ein Mensch hat noch gestern irgendwo in einer Bank geschrieben oder Tüten gedreht und Gewürz, Zimt und Stiefelputzmittel verkauft oder den Kindern in der Schule erzählt, daß der Hunger die Wölfe aus den Wäldern treibt, und heute möcht er sich mit den aktiven Offizieren messen, alles verstehn und in alles die Nase hineinstecken. Und wenn wir aktive Offiziere bei uns haben wie Oberleutnant Lukasch, dann kommt der Herr Oberleutnant nicht in unsere Gesellschaft.«
Oberst Schröder ging schlechtgelaunt nach Hause, und als er am Morgen erwachte, war seine Laune noch schlechter; in der Zeitung, die er im Bette las, fand er nämlich in den Berichten vom Kriegsschauplatz einigemal den Satz, daß unsere Truppen auf die bereits vorher vorbereiteten Stellungen zurückgeführt worden seien. Das waren glorreiche Tage der österreichischen Armee, die den Tagen von Schabatz 5 wie ein Ei dem andern glichen.
Und unter diesem Eindruck schritt Oberst Schröder um zehn Uhr früh zu jener Amtshandlung, die der Einjährigfreiwillige vielleicht richtig als »Jüngstes Gericht« bezeichnet hatte.
Schwejk und der Einjährigfreiwillige standen auf dem Hof und warteten auf den Oberst. Die Chargen, der diensthabende |324| Offizier, der Regimentsadjutant und der Feldwebel aus der Regimentskanzlei mit den Akten der Schuldigen, derer die Axt der Gerechtigkeit harrte, waren bereits da.
Endlich erschien in Begleitung Hauptmann Sagners aus der Einjährigfreiwilligenschule der düster dreinblickende Oberst, der nervös mit der Peitsche auf die Schäfte seiner hohen Stiefel schlug.
Den Rapport entgegennehmend, schritt er einigemal unter Grabesstille um Schwejk und den Einjährigfreiwilligen herum, die »Rechtsschaut« oder »Linksschaut« machten, je nachdem, auf welchem Flügel sich der Oberst gerade befand. Sie taten dies mit ungewöhnlicher Gründlichkeit, so daß sie sich beinahe die Hälse verrenkten, weil es hübsch lange dauerte.
Endlich blieb der Oberst vor dem Einjährigfreiwilligen stehen, der meldete: »Einjährigfreiwilliger …«
»Ich weiß«, sagte der Oberst kurz, »ein Auswurf der Einjährigfreiwilligen. Was sind Sie in Zivil? Student der klassischen Philosophie? Also ein besoffener Intelligenzler …«
»Herr Hauptmann«, rief er Sagner zu, »führen Sie die ganze Einjährigfreiwilligenschule her.«
»Versteht sich«, sprach er weiter zu dem Einjährigfreiwilligen, »ein Student der klassischen Philosophie, mit dem sich unsereins beschmutzen muß. Kehrt euch! Das hab ich gewußt. Mantelfalten in Unordnung. Wie wenn er von einer Hure käm oder sich im Bordell herumgewälzt hätt. Ich werde Sie lehren, Bürscherl.«
Die Einjährigfreiwilligenschule betrat den Hof.
»Karree!« kommandierte der Oberst. Sie umspannten die Angeklagten und den Oberst in einem engen Quadrat.
»Schaun Sie sich diesen Mann an«, brüllte der Oberst, mit der Peitsche auf den Einjährigfreiwilligen weisend, »er hat die Ehre der Einjährigfreiwilligen versoffen, aus denen ein Kader ordentlicher Offiziere erzogen werden soll, damit sie die Mannschaft zum Ruhm auf dem Schlachtfeld führen. Aber wohin würde der da, dieser Saufbold, seine Mannschaft führen? Aus einem Wirtshaus ins andere. Allen ausgefaßten Rum möchte er der Mannschaft austrinken. Können Sie etwas zu Ihrer Entschuldigung |325| sagen? Nein. Schaun Sie sich ihn an. Er kann nicht einmal etwas zu seiner Entschuldigung sagen, und in Zivil studiert er klassische Philosophie. Wirklich, ein klassischer Fall.«
Der Oberst brachte die letzten Worte bedeutungsvoll langsam vor und spuckte aus. »Ein klassischer Philosoph, der in der Trunkenheit Offizieren in der Nacht die Mützen vom Kopf schlägt. Mensch! Noch ein Glück, daß es nur so ein Artillerieoffizier war.«
In den letzten Worten gipfelte aller Haß des 91. Regimentes gegen die Artilleristen in Budweis. Wehe dem Artilleristen, der des Nachts in die Hände der Patrouille des Regimentes fiel und umgekehrt. Der Haß war fürchterlich, unversöhnlich, Vendetta und Blutrache, die sich von Jahrgang zu
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