Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Lafette,
auf seine Brust der Hauptmann einen Orden gab,
Gebete steigen auf zum Himmel um die Wette,
und heiße Tränen fallen auf das Heldengrab.
Mir scheint«, sagte der Einjährigfreiwillige nach einer kurzen Pause, »daß der kriegerische Geist bei uns verfällt, ich schlage vor, lieber Freund, daß wir mal in der nächtlichen Finsternis, in der Stille unseres Kerkers das Lied vom Kanonier Jaburek singen. Das stärkt den kriegerischen Geist. Aber wir müssen brüllen, damit man es in der ganzen Marienkaserne hört. Ich schlage deshalb vor, daß wir uns zur Türe stellen.«
Und aus dem Arrest ertönte bald darauf ein Gebrüll, das auf dem Gang die Fenster zum Zittern brachte:
Bei der Kanone dort
lud er in einem fort.
|319| Bei der Kanone dort
lud er in einem fort.
Eine Kugel kam behende,
riß vom Leib ihm beide Hände,
und er stand weiter dort,
lud er in einem fort.
Bei der Kanone dort
lud er in einem fort.
Auf dem Hof ließen sich Schritte und Stimmen vernehmen.
»Das ist der Profos«, sagte der Einjährigfreiwillige, »Leut nant Pelikan, der heute Dienst hat, geht mit ihm. Er ist Reserveoffizier, ein Bekannter von mir aus der ›Tschechischen Ressource‹ 4 , in Zivil ist er Versicherungsmathematiker. Von dem bekommen wir Zigaretten. Lassen wir uns nicht stören.«
Und es ertönte abermals: »Bei der Kanone dort …«
Als die Tür sich öffnete, sagte der durch die Anwesenheit des diensthabenden Offiziers augenscheinlich aufgeregte Profos scharf: »Hier ist keine Menagerie!«
»Pardon«, entgegnete der Einjährigfreiwillige, »hier ist eine Filiale des Rudolfinums, ein Konzert zugunsten der Arrestanten. Die erste Programmnummer ›Kriegssymphonie‹ ist gerade beendet.«
»Lassen Sie das«, sagte Leutnant Pelikan zum Scheine streng, »ich glaube, Sie wissen, daß Sie nach neun Uhr zu schlafen haben und keinen Lärm machen solln. Ihre Konzertnummer ist bis auf den Ringplatz zu hören.«
»Melde gehorsamst, Herr Leutnant«, sagte der Einjährigfreiwillige, »daß wir uns nicht gebührend vorbereitet haben, und wenn vielleicht eine Disharmonie …«
»Das macht er jeden Abend«, bemühte sich der Profos, gegen seinen Feind zu hetzen, »er benimmt sich überhaupt sehr unintelligent.«
»Bitte, Herr Leutnant«, sagte der Einjährigfreiwillige, »ich möchte mit Ihnen unter vier Augen sprechen. Lassen Sie den Profos vor der Tür warten.«
|320| Als dieser Wunsch erfüllt war, sagte der Einjährigfreiwillige vertraulich: »Also gib Zigaretten her, Franz.
Sport? Du als Leutnant hast nichts Besseres? Vorläufig dank ich dir. Noch Streichhölzchen.
Sport«, sagte der Einjährigfreiwillige verächtlich, nachdem der Leutnant gegangen war, »auch in der Not soll man vornehm sein. Rauchen Sie, Kamerad? Morgen erwartet uns das Jüngste Gericht.«
Ehe der Einjährigfreiwillige einschlief, vergaß er nicht zu singen:
»Berge, Täler und Felsen, die sind mein liebstes Gut,
doch sie können nicht ersetzen, was ich muß verschmerzen,
mein blondes Mägdelein …«
Wenn der Einjährigfreiwillige Oberst Schröder als ein Ungetüm geschildert hatte, so war er im Irrtum; denn Oberst Schröder besaß teilweise Sinn für Gerechtigkeit; nach den Nächten, in denen sich Oberst Schröder in der Gesellschaft, mit der er die Abende im Hotel verbrachte, gut amüsiert hatte, trat sein Gerechtigkeitssinn deutlich zutage. Und wenn er sich nicht amüsiert hatte?
Während der Einjährigfreiwillige diese vernichtende Kritik der Verhältnisse in der Kaserne vom Stapel ließ, saß Oberst Schröder im Hotel in einer Gesellschaft von Offizieren. Er hörte zu, wie Oberleutnant Kretschmann, der mit einem wunden Fuß aus Serbien zurückgekehrt war (eine Kuh hatte ihn gestoßen), erzählte, daß er von seinem Stab aus den Angriff auf die serbischen Positionen mit angesehen hatte.
»Ja, nun stürzen sie aus den Schützengräben. Auf der ganzen Linie von zwei Kilometern kriechen sie über die Drahtverhaue und werfen sich auf den Feind, Handgranaten hinter dem Gürtel, Masken, Gewehre über der Schulter, schußfertig, stoßbereit. Die Kugeln pfeifen. Ein Soldat, der aus dem Schützengraben gesprungen ist, fällt, der zweite fällt auf dem aufgeworfenen Wall, der dritte fällt nach einigen Schritten, aber die Leiber der Kameraden stürmen vorwärts, mit Hurrarufen, vorwärts |321| in Rauch und Staub. Und der Feind feuert von allen Seiten, aus den Schützengräben, aus den Granattrichtern, zielt auf uns mit den Maschinengewehren.
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