Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
geleistet hat und nicht nach hinten auf den Fiaker schaun konnt, in dem Sie gesessen sind, so muß man das dem Mann, denk ich, glauben. Nächstens bitt ich, mich nicht mit solchen Kleinigkeiten zu belästigen.‹
Seit dieser Zeit hat sich Dauerling geändert.« Der Einjährigfreiwillige gähnte. »Wir müssen uns vor dem Regimentsrapport ausschlafen. Ich wollte Ihnen nur sagen, wie es beiläufig beim Regiment ausschaut. Oberst Schröder kann Major Wenzl nicht leiden, er ist überhaupt eine komische Spinne. Hauptmann Sagner, der die Einjährigfreiwilligenschule kommandiert, sieht in Schröder den wahren Typus des Soldaten, obwohl sich Oberst Schröder vor nichts so sehr fürchtet wie davor, ins Feld zu gehn. Sagner ist ein mit allen Salben geriebener Kerl und kann, ebenso wie Schröder, die Reserveoffiziere nicht ausstehn. Er nennt sie Zivilstinker. Die Einjährigfreiwilligen betrachtet er wie wilde Tiere, aus denen man militärische Maschinen machen, ihnen Sternchen annähen und sie an die Front schicken muß, damit man sie statt der edlen aktiven Offiziere vernichtet, die für die Rasse erhalten werden müssen.
Überhaupt«, sagte der Einjährigfreiwillige, während er sich die Decke über den Kopf zog, »stinkt alles in der Armee nach Fäulnis. Bis jetzt sind die bestürzten Massen noch nicht zur Besinnung gekommen. Mit herausgewälzten Augen lassen sie sich zu Nudeln zerhacken, und wenn einen eine Kugel trifft, |317| flüstert er nur: ›Mutter …‹ Es gibt keine Helden, sondern Schlachtvieh und Fleischer in den Generalstäben. Aber zum Schluß wird alles meutern, und das wird eine hübsche Schweinerei werden. Es lebe die Armee! Gute Nacht!« Der Einjährigfreiwillige verstummte, begann dann, sich unter der Decke herumzuwerfen und fragte: »Schlafen Sie, Kamerad?«
»Nein«, antwortete Schwejk auf dem zweiten Kavallett, »ich denk nach.«
»Worüber denken Sie nach, Kamerad?«
»Über die große silberne Tapferkeitsmedaille, die ein Tischler aus der Wawragasse in den Königlichen Weinbergen gekriegt hat, ein gewisser Mlitschko, weil er der erste war, dem bei seinem Regiment zu Kriegsbeginn eine Granate ein Bein abgerissen hat. Er hat ein künstliches Bein bekommen und hat angefangen, sich überall mit seiner Medaille patzig zu machen und hat gesagt, daß er überhaupt der erste und allererste Krippel vom Regiment im Krieg is. Einmal is er ins ›Apollo‹ auf der Weinberge gekommen, und dort is er mit den Fleischern von der Schlachtbank in Streit geraten, sie ham ihm zum Schluß das künstliche Bein abgerissen und ihm damit eins übern Kopf gegeben. Der, was es ihm abgerissen hat, hat nicht gewußt, daß es ein künstliches Bein is, und is vor Schreck ohnmächtig geworn. Auf der Wachstube ham sie Mlitschko das Bein wieder angemacht, aber seit der Zeit hat Mlitschko Wut auf seine große silberne Tapferkeitsmedaille gekriegt und is sie ins Versatzamt versetzen gegangen, und dort ham sie ihn samt der Medaille festgenommen. Er hat draus Scherereien gehabt, und es gibt irgendein besonderes Ehrengericht für Kriegsinvalide, und das hat ihn dazu verurteilt, daß man ihm die silberne Medaille genommen hat, und dann hat man ihn noch zum Verlust des Beines verurteilt …«
»Wieso?«
»Sehr einfach. Nämlich eines Tages is eine Kommission zu ihm gekommen und hat ihm mitgeteilt, daß er nicht wert is, ein künstliches Bein zu tragen, so ham sies ihm abgenommen und weggetragen.
Oder«, fuhr Schwejk fort, »is es auch ein großer Jux, wenn |318| die Hinterbliebenen nach jemandem, was im Krieg gefalln is, auf einmal so eine Medaille kriegen mit der Zuschrift, daß man ihnen diese Medaille verleiht, damit sie sie irgendwo auf einen bedeutungsvollen Platz aufhängen. In der Božetĕchgasse am Wyschehrad hat ein aufgeregter Vater, was gedacht hat, daß sich die Ämter einen guten Tag aus ihm machen, diese Medaille aufn Abort gehängt, und ein Polizist, was diesen Abort auf der Pawlatsch 3 mit ihm zusamm gehabt hat, hat ihn wegen Hochverrat angezeigt, und so hat sichs der arme Kerl davongetragen.«
»Daraus geht hervor«, sagte der Einjährigfreiwillige, »daß Glück und Glas leicht brechen. Jetzt hat man in Wien das ›Ta gebuch eines Einjährigfreiwilligen‹ herausgegeben, und dort steht der bezaubernde Vers:
Es war einmal ein braver Einjähriger,
der fiel für seinen König auf dem Feld,
sein Tod machte die Kameraden fähiger,
auch ihrerseits zu sterben wie ein Held.
Schon tragen sie den Leib auf der
Weitere Kostenlose Bücher